Geheimnis der Leidenschaft
Hoffnung auf Rios Rückkehr warteten, sich nach ihm sehnten und mit angehaltenem Atem die Straße beobachteten, so wie die Rancher den Himmel nach den ersten Zeichen des Leben spendenden Regens absuchten. Sie wollte nicht eine dieser Frauen sein.
Doch sie war bereits eine von ihnen, obwohl Rio sie noch nicht einmal angerührt hatte.
Hope war traurig, aber auch dankbar, dass er sie seit ihrem Ritt zum Pinon-Camp in Ruhe gelassen hatte. Er unterhielt sich mit ihr auf den Fahrten zum Wassertank, aber ihre Gespräche drehten sich um das Wetter und die Rinder, die Preise für Futter und die Kosten für Benzin. Es waren Gespräche über die Ranch. Aus seiner Stimme klangen nicht länger Visionen. Seine Augen waren nicht länger dunkel vor Verlangen, das tiefer war als die Nacht, so tief wie seine Seele.
Er hatte sie in den fünf Tagen, seit sie im Pinon-Camp gewesen waren, nicht einmal berührt. Auch nicht zufällig.
Nicht ein einziges Mal.
Mason hatte Recht. Rio hatte viel zu viel Respekt vor sich selbst und vor ihr, um etwas zu beginnen, das damit enden würde, dass er ging und sie weinte.
Am liebsten hätte Hope bitter über die Ironie des Lebens gelacht. Als Kind hatte sie gehört, wie ihre Eltern darüber stritten, ob sie im Sonnental mit seinen endlosen, harten Anforderungen leben oder ob sie die Ranch verkaufen wollten. Insgeheim hatte das Kind, das sie damals gewesen war, angenommen, dass alles wieder gut werden würde, wenn ihre Eltern einander nur genug lieben würden. Liebe war alles, was zählte.
Und dann hatte dieses Kind zugesehen, wie ihre Mutter und ihr Vater einander im Namen der Liebe zerstört hatten.
Hope hatte sich geschworen, niemals einen Mann zu lieben. Der Preis dafür war zu hoch. Die Zerstörung war zu groß. Der Kummer zu endlos. In dem Leben ihrer Eltern, in ihren Argumenten, in ihren Briefen, deren Worte und Sätze in Hopes Gedanken eingebrannt waren, lag eine Warnung vor den Grenzen der Liebe, die sich in ihre Seele gebrannt hatte:
Ich liebe dich, Debbie. Komm zu mir nach Hause. Ich
brauche dich. Ich brauche dich neben mir am Ende des Tages, wenn ich so müde bin, dass nichts etwas wert zu sein scheint.
Und die Antwort war immer die Gleiche gewesen.
Verkaufe die Ranch. Ich kann es nicht ertragen, zuzusehen, wie du dich für dieses verdammte Land umbringst. Für nichts. Ich liebe dich viel zu sehr. Wayne, ich liebe dich!
Schließlich hatte das Sonnental Hopes Vater umgebracht, genau wie ihre Mutter es vorhergesagt hatte, und es hatte auch Hopes Mutter umgebracht. Sie hatte nur noch ein Jahr gelebt, nachdem sie den Mann begraben hatte, den sie liebte.
Ja, ihre Eltern hatten einander geliebt. Leidenschaftlich, verzweifelt, hoffnungslos, hilflos.
Es hatte nicht genügt.
Hope hatte auf die harte Art gelernt, dass es realistische Grenzen dieser Angelegenheit gab, die man Liebe nannte. Sie hatte beobachtet, wie ihre Mutter und ihr Vater und ihre arme, zerbrochene Schwester versucht hatten, der Liebe mehr Lasten aufzubürden, als sie aushalten konnte.
Liebe konnte die Menschen nicht wie ein Wunder verändern.
Hope hatte erlebt, wie diese einfache Tatsache wieder und wieder demonstriert wurde. Ihre Mutter hatte ihren Vater mit all der Leidenschaft ihrer Seele geliebt. Für ihn war es genauso gewesen. Aber diese Liebe hatte die beiden nicht verändert.
Ihre Mutter konnte deshalb trotzdem nicht auf der Farm leben.
Und ihr Vater konnte nicht ohne die Farm leben.
Die Liebe war nicht in der Lage gewesen, diesen grundlegenden Unterschied zwischen ihren Eltern zu überbrücken.
Hope war nicht so dumm, die Beschränkungen zu vergessen, die Liebe bedeutet. Sie akzeptierte die Tatsache, dass sie dabei war, sich in Rio zu verlieben, sie wusste aber auch, dass das verdammt keinen Unterschied machte. Es würde ihn nicht verändern. Und sie auch nicht. Rio hatte keine Wurzeln, er war wie der Wind. Und so wie der Wind würde er sie zurücklassen, wenn er ging.
Sie hatte im Sonnental Wurzeln geschlagen. Selbst wenn sie diese Wurzeln ausreißen und überleben könnte, so würde das nicht genügen.
Rio war das, was er war - ein regensüßer Wind, der über die Oberfläche des Landes wehte. Allein. So unvermeidlich und so endgültig, wie der wilde Wind allein war. Es war das Leben, das er gewählt hatte, das Leben, das er gelebt hatte - das hatte ihn zu dem gemacht, was er war.
Und sie liebte im Guten und im Schlechten das, was er war.
Dieses Wissen durchdrang Hope wie die Erschütterungen
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