Geheimnis der Leidenschaft
Finger einer Geliebten.
Abrupt wandte Hope sich ab und ging ins Haus.
Rio folgte ihr nicht.
Als sie die Haustür hinter sich schloss, wusste sie, dass es gut war, dass er ging. Sie war ihm gegenüber viel zu verletzlich, und sie war noch immer im Nachhall ihrer eigenen Erkenntnis gefangen. Sie glaubte nicht, dass sie in der Lage gewesen wäre, ihm in der Intimität ihrer Küche gegenüberzusitzen und ihm nicht die schlichte Wahrheit dessen anzuvertrauen, was sie gerade entdeckt hatte.
Ich liebe dich.
Ich wünschte mir, du würdest mich auch lieben.
Aber selbst wenn du mich lieben würdest, würdest du dennoch gehen müssen. Ich verstehe dich, Rio. Ich weiß, dass du dich selbst dafür hassen wirst, wenn du mich verletzt.
Und ich bin bereits verletzt.
Ein verteufeltes Durcheinander, diese Liebe, nicht wahr?
Der Wind hielt lang genug inne, dass sie hörte, wie Rios Pick-up den Hof der Ranch so schnell verließ, dass Sand und Kies aufspritzten. Dann wehte der Wind wieder und unterdrückte jedes andere Geräusch mit seinem endlosen Gesang.
Als sie sicher war, dass von Rio nichts mehr zu sehen war, nicht einmal der Staub in der Luft, ging sie wieder hinaus, kletterte in Behemoth und fuhr los, um Wasser zu holen. Das geladene Gewehr leistete ihr auf dem Ständer hinter ihrem Kopf Gesellschaft.
Als sie über die Kuppe des Hangs fuhr und hinunter in die smaragdgrüne Oase des Brunnens, war weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen. So weit sie wusste, war Turner nicht wieder hierher gekommen, seit dem Tag, als er auf sie losgegangen war und sie sich in ihrem Wagen eingeschlossen hatte.
Dennoch hielt sie jeden Tag, jeden einzelnen Tag, am Brunnen nach ihm Ausschau.
Hope kniff gegen den Wind die Augen zusammen, sprang aus dem Wagen und schloss den Schlauch an. Die Arbeit war nicht mehr so schwierig wie zuvor, denn Rio hatte das abge-nutzte Verbindungsstück ausgetauscht, und Mason den Generator so verändert, dass er einfacher zu starten war. Sie war auch nicht mehr so müde, wie sie es gewesen war, ehe Rio in das Sonnental gekommen war. Er hatte ihr viel von der harten körperlichen Arbeit abgenommen. Und wenn sie widersprach, ignorierte er sie einfach.
Aber eigentlich hatte sie sich nicht sehr dagegen gewehrt, denn es gab genügend zu tun für weitere fünf Arbeiter.
Behemoths Tank füllte sich mit Wasser, bis nichts mehr hineinging. Hope verstaute den Schlauch und fuhr zurück zu ihren ausgetrockneten Brunnen, wo einige ihrer Rinder sich gegen den harten, trockenen Wind stemmten. Sie begrüßten den Wagen mit leisem Muhen, als wollten sie fragen, warum es so lange gedauert hatte.
Es war genügend Regen gefallen, so dass nicht alle Freilandrinder auf die Brunnen angewiesen waren. Das war gut, denn die Brunnen waren nicht verlässlich. Es hatte nicht genug geregnet, um den Grundwasserspiegel anzuheben und das Gras wachsen zu lassen. Wenn es nicht bald wieder regnete, würden die kleinen Bäche und Wasserlöcher erneut austrocknen und die Rinder zwingen, zurück zu den Brunnen zu kommen.
Dann würde Hope nicht nur Wasser, sondern auch noch Futter herbeischaffen oder noch mehr Rinder verkaufen müssen.
Als der Wagen leer war, rollte sie den Schlauch wieder ein und fuhr zurück zur Ranch. Es gab genügend Wasser, um nicht auch noch eine zweite Fahrt zu Turners Brunnen machen zu müssen. Es gab sogar genügend Wasser für ein Bad, wenn sie ein wenig leichtsinnig war.
Der Gedanke beschäftigte sie den ganzen Weg zum Haus. Sie kämpfte mit sich selbst, nicht das wenige Wasser zu vergeuden, das sie auch zum Kochen benutzen konnte oder zum Trinken oder für die Rinder. Dann aber entschied sie, dass ein
Bad eine beinahe medizinische Bedeutung hatte. Sie brauchte es, um die Erschöpfung zu vertreiben. Außerdem hatte sie heute Geburtstag.
Als eine Art Strafe für sich, weil sie das knappe Wasser verschwenden würde, zwang Hope sich, zuerst die Bücher der Ranch auf den aktuellen Stand zu bringen, ehe sie nach oben ging. Sie fühlte sich dafür, dass es erst fünf Uhr am Nachmittag war, viel zu müde. Sie setzte sich in den Stuhl aus Walnussholz mit dem hohen Rücken, der zu dem alten Eichenschreibtisch ihres Vaters gehörte.
Das Erste, was sie sah, war die Notiz, die sie vor zehn Monaten geschrieben und in dem kleinen Zimmerchen aufgehängt hatte: Zweite Hypothek fällig am15. Januar.
Obwohl ihr die Hypothek keine wirklichen Sorgen machte, starrte sie einen Augenblick lang auf diese Notiz. Trotz der vielen
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