Geheimnis der Leidenschaft
»Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass dein Geologe aufgegeben hat.«
Insgeheim fügte Rio noch hinzu: das, und die Tatsache, dass sein Großvater kein Schamane der Zuni war, der einem wilden Kind beigebracht hat, so still zu werden, dass es die Wolken fühlen konnte, die sich um die Bergkuppen in der Ferne bildeten, und das Wasser, das in der Erde tief unter seinen Füßen fließt.
»Er war ziemlich sicher, dass es hier kein Wasser gibt«, meinte Hope.
»Er könnte Recht haben. Aber es gibt in diesen Bergen Kalkstein, der sich hoch oben in den am meisten erodierten Spitzen auf der trockenen Seite der Perdidas zeigt. Weil Kalkstein schneller erodiert als die anderen Schichten, unterhöhlt er die Felsschichten, die ihn bedecken. Sie zerbröckeln und brechen auseinander, bis der freigelegte Kalkstein wegen der herunterrutschenden härteren Steine nicht mehr zu sehen ist.«
Obwohl Rio zu den zerklüfteten Bergen blickte, fühlte sie, dass er eigentlich nach innen sah, tief in sich hinein, wo Wissen, Erfahrung und Instinkt die Möglichkeiten der Felsschichten prüften.
»Der Kalkstein, den ich gesehen habe, könnte nur ein Bruchstück der Schicht sein, die sich schon vor langer Zeit aufgelöst hat«, sprach er weiter. »Oder es könnte die Spitze eines Aquifers sein, das Hunderte von Metern dick ist und seit Millionen von Jahren das Wasser aufgesaugt hat.«
Hope sog scharf die Luft ein, füllte ihre Lungen, bis sie schmerzten. Der Gedanke an so viel Wasser unter ihren Füßen war beinahe unerträglich.
»Ist es das?«, fragte sie, und aus ihrer Stimme klang Sehnsucht. »Gibt es wirklich eine Schicht Kalkstein, die angefüllt ist mit Wasser für das Sonnental und nur darauf wartet, entdeckt zu werden?«
20
Rio stieg vom Pferd und blickte zu Hope auf. »Deshalb sind wir zum Wind-Canyon geritten«, erklärte er schlicht. »Um zu entscheiden, ob es den Versuch wert ist, hier zu bohren.«
»Und wie willst du das machen?«
Er zögerte und wollte ihr nicht etwas erklären, das er selbst nicht verstand; etwas, das er einfach nur akzeptierte. Er hatte bereits alles getan, was er konnte, und hatte dabei das konventionelle Wissen der Geologie und Hydrologie eingesetzt. Er hatte die Suche auf drei mögliche Stellen eingegrenzt. Von diesen drei Stellen war der Wind-Canyon diejenige, die am ehesten Wasser freisetzen würde.
Jetzt würde er über das Land gehen und dessen wortlose Botschaften in sich aufnehmen. Er würde tief in sich selbst hineinhorchen, in der Hoffnung, das sich kräuselnde Echo des Wassers zu fühlen, das unter seinen Füßen floss. Es war wie die winzigen Ströme der Elektrizität, die durch seinen Körper zuckten, und ihm sagten, dass unter seinen Füßen etwas anderes lag. Oft war dieses Gefühl so subtil, dass es ihm leicht entgehen konnte. Er brauchte Schweigen und eine innere Ruhe, die aus seinem Geist kommen musste.
Weiße Männer nannten das, was er tat, Wasser hexen oder ins Wasser eintauchen, und behaupteten, an so etwas nicht zu glauben. Dennoch waren viele Brunnen im Westen von Männern und Frauen gefunden worden, die abgeschälte Ruten in Händen hielten, die zitterten oder sich nach unten bewegten, wenn verborgenes Wasser vorhanden war. Sein Großvater hatte Rios Gabe den Atem des Großen Geistes genannt.
Rio gab ihr keinen Namen. Er akzeptierte sie, genau wie er die Farbe seines Haares akzeptierte oder die Anzahl seiner Finger.
»Erfahrung«, meinte er schließlich und reichte Hope die Zügel von Dusk. Er lockerte mit ein paar geübten Bewegungen den Sattel. »So entscheide ich mich. Wenn das Land mir das richtige Gefühl gibt, dann bohre ich.«
»Und wenn nicht?«
»Dann suche ich weiter, bis ich Wasser finde oder es keine Stelle mehr gibt, an der ich suchen kann.«
Er öffnete die großen Satteltaschen, die er immer bei sich hatte, griff hinein und zog ein Paar abgetragene Wanderstiefel daraus hervor. Er setzte sich auf einen bequemen Felsbrocken, zog seine Cowboystiefel aus und die anderen Stiefel an.
»Als ich jung war, habe ich gelernt, auf meine Instinkte zu vertrauen«, erklärte er schnell, als er die Wanderstiefel zuschnürte. »Mein Großvater war ein guter Lehrer.«
Sie wollte ihm noch mehr Fragen stellen, doch Rio ging bereits langsam weg. Er bewegte sich über den felsigen Boden des Canyons wie ein Mann, der nach einer verblichenen Spur suchte. Sie fühlte, dass es nicht die trockene Oberfläche des Bodens war, auf die er sich konzentrierte, sondern etwas
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