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Geheimnis der Leidenschaft

Titel: Geheimnis der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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ihre trauernde Seele.
    Rio folgte ihrem Blick. Er war an Sonnenaufgänge, und Schweigen gewöhnt - doch diesmal war Hope bei ihm und teilte die Stille und das bezwingende Land mit ihm. Wie die Morgendämmerung selbst zeigte sie eine Ruhe, die ihm Freude bereitete. Andere Frauen, die er gekannt hatte, waren von seinem Schweigen verletzt oder verängstigt gewesen und hatten von ihm verlangt, dass er sie ständig unterhielt. Doch er hatte es gehasst, mit jemandem zusammen zu sein, der so oberflächlich war, dass sich seine Laune änderte, wann immer Rio schwieg.
    Rio beugte sich zu Hope hinüber und fuhr mit den Fingerspitzen über ihr Kinn. Sie sah ihn an und lächelte, ihre Augen leuchteten in dem vollen Morgenlicht beinahe golden.
    Sehnsucht und etwas, das noch viel mächtiger war, durchfuhr ihn, etwas Unbeschreibliches, als würde eine Quelle aus seiner Seele sprudeln und sanft nach außen fließen, als würde süßes Wasser all den Dingen Leben schenken, die durstig waren. Sanft berührte er Hope noch einmal, als wolle er sich selbst versichern, dass sie real war und dass er real war und dass dieser Augenblick real war.
    Die beiden Pferde verschwanden in den dichten Schatten am breiten Eingang des Wind-Canyons. An dieser Stelle spürten sie einen Windstoß, eine unbestimmbare Bewegung der Atmosphäre, die man hier immer viel deutlicher fühlte als an den Eingängen der anderen Canyons oder auf der Ranch. Es war so, als würde etwas schlafen und in diesem Schlaf tief seufzen.
    Hope blickte den Canyon hinauf zu der Stelle, an der der alte Weg sich in die Höhe zu winden begann. Sie verzog das Gesicht und war dankbar dafür, dass Rio nicht den ganzen Weg hinauf zu der alten Mine reiten wollte.
    »Wonach suchen wir?«, fragte sie.
    »Nicht nach etwas, was wir sehen können.«
    Sie warf ihm einen schnellen Blick von der Seite zu. »Das wird es schwierig machen, nicht wahr?«
    Rio drückte den Hut ein wenig fester auf den Kopf und lächelte. »Sieh dir den Eagle Peak an.«
    Pflichtschuldig sah Hope zu dem zerklüfteten Berg, der jeden Morgen in ihrer Kindheit den Horizont dominiert hatte.
    »Was siehst du?«, fragte er.
    »Felsen. Eine ganze Menge.«
    »Schließe die Augen. So wirst du mehr sehen.«
    Sie sah ihn einen Augenblick lang an, dann schloss sie die Augen.
    »Erinnerst du dich an die Schichten, über die wir gesprochen haben?«, fragte er.
    »Du meinst die zerborstene Schicht mit dem wasserundurchlässigen Untergrund?«
    »Genau die. Und jetzt stell dir einmal vor, dass die Schichten in Ordnung sind. Stell dir vor, dass sie in einem flachen Winkel nach oben weisen.«
    »Hm.«
    Rio sah Hope an. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Wimpern auf der goldenen Haut sahen beinahe schwarz aus. Er erinnerte sich an die verlockende Sanftheit ihrer Wimpern auf seinen Lippen, an ihren Duft, als er sein Gesicht zwischen ihre Brüste gedrängt hatte.
    Ungeduldig zwang er seine wandernden Gedanken zurück zu den Aquifers und dem Eagle Peak.
    »Also, diese Bergspitze ist wie ein Butterbrot mit allen möglichen Schichten dazwischen«, sagte er. »Felsgestein wie Granit, Quarz und Schiefer bilden die wasserdichte Schicht. Die Wurst auf dem Butterbrot ist Kalkstein, der aus uralten Seen stammt. Die Kalksteinschicht ändert sich hier in ihrer Dicke kaum, die sie umgebenden Schichten aber schon. Der Granit kann an einzelnen Stellen nur wenige Zentimeter dick sein und an anderen Stellen bis zu hundert Meter.«
    Hope runzelte die Stirn. Sie hatte die Augen noch immer geschlossen, während sie sich ein unordentlich belegtes Brot vorstellte. »Wie willst du aber wissen, wo du den Brunnen bohren sollst? Wenn du an der Stelle beginnst, an der der Granit so dick ist, dann wirst du nichts anderes finden als Steine und trockene Löcher.«
    »Deshalb geht man in die Colorado-Schule für Bergbau und bekommt ein Diplom in Hydrologie«, erklärte er ein wenig spöttisch. »Das gibt einem die Möglichkeit, die richtige Vermutung anzustellen.«
    Ihre Augen öffneten sich schnell, als sie begriff, was er sagte. Er hatte irgendwann in der Vergangenheit ein Diplom in einem der führenden Zentren für angewandte Geologie der Vereinigten Staaten gemacht.
    Hope sah Rio eindringlich an und hoffte, dass er ihr noch mehr über sich selbst erzählen würde, doch er schien es überhaupt nicht zu bemerken. Er sah mit geübtem Blick zum Eagle Peak, zu der Möglichkeit, Wasser zu finden.
    »An dieser Seite des Berges zeigt sich nicht viel Kalkstein«, meinte er.

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