Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
nicht wahr?«
Samantha schaute zu ihm auf, aber es war unmöglich zu sagen, ob er sich über sie oder über sich selbst lustig machte. Seine Augen hatten vielleicht ihr Sehvermögen verloren, nicht aber ihr amüsiertes Funkeln. Im Sonnenlicht waren sie sogar noch aufsehenerregender, ihre goldgeränderten Tiefen so klar und hell wie ein Kristallsee. Und sein Haar glänzte im Sonnenschein wie frisch geprägte Goldmünzen.
»Es besteht wirklich keine Notwendigkeit für Sie, in Ihrem eigenen Hause wie ein Gefangener zu leben, wenn Sie doch diese wunderschönen Gärten haben. Ich kann mir vorstellen, dass Sie früher sehr unternehmungslustig waren. Es muss doch irgendetwas an der frischen Luft zu tun geben, das Ihnen Spaß macht.«
»Wie wäre es mit Bogenschießen?«, spottete er. Sam kam aus dem Wald gelaufen und zwang sie, langsamer zu gehen, da er ihnen freudig um die Füße sprang. »Oder Jagen. Wenigstens könnte es mir keiner verdenken, wenn ich einen jungen Hund für einen Fuchs halte.«
»Sie sollten sich schämen«, schalt sie ihn. »Es ist gut möglich, dass Sam eines Tages Ihre Rettung sein wird. Das Tier ist sehr klug, wissen Sie?«
Da er seinen Namen hörte, warf sich der Hund ins Gras, rollte sich auf den Rücken, verdrehte wohlig die Augen und ließ die Zunge aus dem Maul hängen. Samantha raffte ihre Röcke und machte einen Schritt über ihn hinweg in der Hoffnung, ihr Begleiter würde es nicht bemerken.
Gabriel schien in Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt. »Vielleicht haben Sie Recht, Miss Wickersham.« Samantha blickte zu ihm auf, erstaunt über sein rasches Einlenken. »Vielleicht gibt es ja etwas, das mir immer noch Spaß machen würde. Etwas, bei dem ich nicht im Nachteil bin.«
Gabriel gewann jede einzelne Runde bei »Blinde Kuh«.
Er war einfach nicht zu schlagen. Er fing nicht nur selbst die flinksten Dienstboten, ehe sie außer Reichweite laufen konnten, es war ihm auch noch ein Leichtes, sie mit nur einem leichten Schnuppern an Haar oder Kleidung beim Namen zu nennen. Seine Reflexe waren immer noch so gut, dass er zudem jedem ausweichen konnte, der die Augenbinde trug, er entwischte ihren ausgestreckten Händen, einen Augenblick, bevor sie ihn zu packen vermochten.
Als Samantha die Dienerschaft nach draußen hatte rufen lassen, damit sie sich an dem Spiel beteiligten, waren sie alle entsetzt gewesen, ihren Herrn auf einen Ellbogen gelehnt auf der sonnenbeschienenen Wiese zu entdecken, das Haar aus dem Zopf im Nacken gerutscht und einen Grashalm zwischen den Lippen. Und noch entsetzter waren sie, als seine Pflegerin ihnen erklärte, was von ihnen verlangt wurde. Während die anderen Diener sich steif in einer Reihe aufstellten, als gälte es, zu Besuch kommende Würdenträger zu begrüßen, schnalzte Beckwith missbilligend mit der Zunge, und Mrs. Philpot erklärte, sie habe nie zuvor etwas so Anstößiges erlebt.
Peter und Phillip waren die Ersten, die aus der Reihe traten. Erfreut, ihren Pflichten an einem so prächtigen Frühlingstag zu entkommen, straften die Zwillinge die Feinheiten des Spiels mit Missachtung und zogen es vor, bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre sommersprossigen Fäuste zu schwingen und miteinander zu raufen. Wann immer es ihm gelang, seinen Zwillingsbruder zu überwältigen und sich rittlings auf ihn zu setzen, warf Phillip Elsie einen verstohlenen Blick zu, um sich zu vergewissern, dass das hübsche junge Stubenmädchen auch zusah.
Verführt von der milden Brise und der guten Laune ihres Herrn, legten auch die anderen Diener allmählich ihre Zurückhaltung ab. Als er an der Reihe war, die Augenbinde zu tragen, endete es damit, dass der drahtige Wildhüter Willie der Wäscherin Meg nachsetzte, die knorrigen Hände wie Klauen ausgestreckt. Wie ein Schulmädchen kreischend, raffte Meg ihre Röcke und rannte den flachen Abhang hinunter, ihre stämmigen Beine deutlich zeigend und Sam kläffend auf den Fersen. Als sie statt nach rechts einen Haken nach links schlug, stürzte Willie an ihr vorbei, stolperte über seine Stiefel und rollte den Rest des Hanges hinunter in den Bach.
»Da Willie Meg nicht fangen konnte, ist jetzt der Herr wieder dran!«, rief Hannah und klatschte freudig in die Hände.
Während Meg den tropfnassen, fluchenden Wildhüter aus dem Bach zog, wandte Beckwith Gabriel sachte in Richtung Haus um. Selbst Mrs. Philpot hatte Gefallen an dem Spiel gefunden. Unaufgefordert machte sie einen Schritt nach vorne und drehte ihren
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