Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
vernichtenden Blick auf Samantha.
Samantha wäre nichts lieber gewesen, als das überfüllte Arbeitszimmer zu verlassen. Es war die reinste Folter, auf der Kante des hochlehnigen Stuhles zu sitzen und keine Miene zu verziehen, obwohl ihr Herz zwischen Hoffen und Bangen hin- und hergerissen wurde.
Bevor sie aufstehen und eine Entschuldigung murmeln konnte, erklärte Gabriel fest: »Das muss sie sehr wohl. Sie ist schließlich meine Pflegerin, weißt du.« Obwohl er seinen Kopf nicht zu ihr umdrehen konnte, versicherte ihr die Wärme in seiner Stimme, dass sie ihm viel mehr bedeutete.
Er saß an einem mit Filz bespannten Kartentisch, den Kopf in einem Eisenapparat festgeschnallt, den Dr. Richard Gilby mitgebracht hatte – der einzige Arzt, der ihm überhaupt einen Funken Hoffnung gelassen hatte, dass er sein Sehvermögen wiedererlangen könnte. Der kleine Mann mit den freundlichen Augen und dem ordentlich gestutzten Backenbart hatte kein Wort der Klage verlauten lassen, dass er mitten in der Nacht von dem Marquis von Thornwood aus seinem Bett geholt worden war, nachdem der seinerseits von einem stotternden Beckwith aus dem seinen gerissen worden war. Der Arzt hatte einfach mehrere Gerätschaften, die eher an mittelalterliche Folterwerkzeuge als an medizinische Instrumente erinnerten, zusammengepackt und war mit Gabriels restlicher Familie nach Fairchild Park aufgebrochen.
Obwohl die Sonne schon vor mehreren Stunden aufgegangen war, dösten Valerie und Eugenie immer noch auf dem Brokatsofa. Honoria stand mit glänzenden Augen hinter dem Arzt und betrachtete wissbegierig jedes seiner Instrumente, das er aus seiner Ledertasche holte. Der Marquis schritt vor dem Kamin auf und ab, den Gehstock in der Hand, während seine Gattin in einem der gewaltigen Ohrensessel zu beiden Seiten des Kamins saß, als wäre es ein Thron, und mit nervösen Fingern an ihrem Taschentuch zupfte.
Samantha konnte sich nicht überwinden, sich dem missbilligenden Blick der Frau zu stellen. Obwohl sie sich den Ruß von Haut und Haar gewaschen und sich ein frisches Kleid angezogen hatte, gab es nichts, was sie tun konnte, um die Erinnerung an Gabriels Berührung, die sich unauslöschlich in ihr Gehirn gebrannt hatte, und die erschütternden Gefühle, die sie ihr geschenkt hatte, fortzuwaschen.
»Aha!«, rief der Arzt unvermittelt, sodass alle zusammenzuckten.
Sein wissendes Nicken und geheimnisvolles Räuspern begann an ihren Nerven zu zerren. Wenngleich für ihn am meisten auf dem Spiel stand, schien Gabriel zufrieden zu warten, bis der Mann seine Untersuchung beendet hatte, ehe er eine Antwort verlangte. Sam war der Einzige im Zimmer, den die Vorgänge noch weniger zu interessieren schienen. Der Collie lag zusammengerollt auf dem Kaminvorleger und knabberte genüsslich an einem polierten Reitstiefel.
Der Marquis klopfte mit seinem Stock auf den Boden, auf seinem geröteten Gesicht schimmerte der Schweiß. »Was ist, guter Mann? Haben Sie etwas entdeckt?«
Ihn ignorierend fuhr Dr. Gilby herum und schnipste mit den Fingern in Richtung Fenster. »Ziehen Sie die Vorhänge wieder zu. Sofort.«
Beide, sowohl Beckwith als auch Mrs. Philpot, beeilten sich, dem Befehl nachzukommen, wobei sie sich beinahe gegenseitig umrannten. Zwar war die übrige Dienerschaft aus dem Zimmer verbannt worden, doch hatte Samantha in der vergangenen Stunde mehr als einmal Peters oder Phillips Kopf über einem der Fensterbretter auftauchen sehen.
Das Dämmerlicht, das sich mit den geschlossenen Vorhängen über den Raum legte, bot ihr eine willkommene Pause. Wenigstens konnte sie Gabriel nun anschauen, ohne die Sehnsucht in ihrem Blick verbergen zu müssen. Jetzt, da sie keine Brille mehr besaß, die ihre Augen abschirmte, hatte sie das Gefühl, als ob ihre Empfindungen für alle offenkundig waren.
Dr. Gilby befestigte ein gewaltiges Vergrößerungsglas vorne an dem eisernen Kopfstück. Als er eine flackernde Kerze davor hielt, stellte sich Honoria hinter ihm auf die Zehenspitzen und spähte ihm über die Schulter.
»Was sehen Sie jetzt?«, fragte er Gabriel.
»Schatten, die sich bewegen? Umrisse?« Gabriel schüttelte den Kopf, wobei er die Augen zusammenkniff und sich zu konzentrieren versuchte. »Um ehrlich zu sein, nicht viel.«
»Ausgezeichnet«, erwiderte der Arzt und reichte Honoria die Kerze.
Er zog den Schirm von der Öllampe neben sich und brachte die Lampe mit einer schnellen Bewegung vor Gabriels Gesicht. Gabriel zuckte sichtlich zusammen.
»Was
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