Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheimnis des Feuers

Geheimnis des Feuers

Titel: Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
»Trotzdem ist es passiert.«
    »Es wird passieren, solange die Minen dort liegen«, antwortete Doktor Raul. Er versuchte gar nicht seinen Zorn zu verbergen.
    »Haben sie eine Chance zu überleben?«, fragte José-Maria.
    Doktor Raul dachte nach, bevor er antwortete.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er dann. »Vermutlich nicht.«
    »Keine von beiden?«
    »Vielleicht das Mädchen, das seinen Fuß verloren hat. Das andere Mädchen hat schwere innere Verletzungen.«
    Zusammen mit mehreren anderen Ärzten operierte Doktor Raul viele Stunden. Hinterher, als sie müde und verschwitzt waren, wussten sie, dass sie nur noch eins tun konnten: Warten.
    Maria und Sofia lagen in zwei Betten nebeneinander. Es war ganz still im Zimmer. Eine Krankenschwester saß auf einem Stuhl am Fenster. Wieder dämmerte es, die Sonne war dabei, sich über den Horizont und die Dächer der Stadt zu erheben.
    Zwei Ärzte kamen ins Zimmer.
    Sofia schlief. Aber es war, als ob sie trotzdem merkte, was um sie herum geschah. Sie hörte zwei Männer sprechen.
    War Papa gekommen? Nein, er war tot, es musste jemand anders sein. Oder hatte sie vielleicht nur alles geträumt?
    In dieser Nacht waren keine Monster gekommen.
    Sie wusste es nicht. Sie hörte im Schlaf, wie die beiden Männer miteinander redeten. Sie sprachen leise.
    »Maria werden wir wohl nicht durchbekommen«, sagte die eine Stimme. »Die Verletzungen sind zu schwer. Wir schaffen es nicht, die Infektionen aufzuhalten.« »Sie ist stark«, sagte die andere Stimme. »Sie sind beide stark.«
    »Wir müssen abwarten. Das ist alles, was wir tun können.«
    Sofia hörte, wie die Stimmen verstummten, und dann Schritte, die sich entfernten. Tief unten im Dunkel versuchte sie zu begreifen, was sie gehört hatte. Aber die Schmerzen, die kamen und gingen, trieben sie davon auf dem dunklen unterirdischen Meer.
    Es war, als ob in ihrem Innern Feuer brannten. Warum tat es so weh? Was war passiert? Sie erinnerte sich nur noch daran, dass sie und Maria auf dem Weg zu den Äckern gewesen waren. Maria hatte ihr weißes Kleid angehabt.
    Sofia war deswegen böse auf sie gewesen. Sie würde das Kleid auf dem Acker schmutzig machen. Sie waren gelaufen und hatten sich gegenseitig geschubst, daran erinnerte sie sich. Sie hatten gelacht, sich geschubst und waren gelaufen.
    Dann war alles weg.
    Sie schaukelte auf dem dunklen Meer und die Feuer in ihr brannten.
    Plötzlich war ihr, als riefe Maria nach ihr. Aber sie konnte sie nicht sehen. Sie lauschte, während sie schaukelte.
    Jetzt hörte sie es ganz deutlich. Maria rief nach ihr.
    Mit einem Ruck tauchte sie an die Oberfläche. Immer noch brannten die Feuer in ihr. Es tat so furchtbar weh. Aber sie schlug die Augen auf. Sie wusste nicht, wo sie war. Das Zimmer war fremd. Das war nicht die Hütte.
    Nackte, hohe weiße Wände. Von einer Tür fiel schwacher Lichtschein ins Zimmer. Als sie den Kopf drehte, vorsichtig, denn jede Bewegung tat so weh, sah sie eine weiß gekleidete Frau auf einem Stuhl am Fenster sitzen. Das Kinn war ihr auf die Brust gesunken. An der weißen Haube erkannte Sofia, dass es eine Krankenschwester war. Sie schlief. Sofia drehte wieder den Kopf. Neben ihrem Bett war noch ein Bett und dort lag Maria. Das Licht von der Tür fiel in ihr blasses Gesicht.
    Plötzlich schlug Maria die Augen auf und sah sie an. »Ich will nach Hause, Sofia«, sagte sie. »Ich hab solche Schmerzen.«
    Sofia streckte den Arm aus, obwohl die Schmerzen an ihr zerrten. Aber sie wusste, dass sie es tun musste.
    Sonst würde Maria aufstehen und gehen. Sie würde allein zurückbleiben. Abgesehen von der schlafenden Frau am Fenster wäre sie der letzte Mensch auf der Erde. Ihre Hand reichte bis zu Maria. Sofia berührte sie. »Es tut so weh«, sagte Maria. »Ich will nach Hause.« »Es ist Nacht«, sagte Sofia. »Morgen gehen wir nach Hause.«
    Aber Maria richtete sich auf. »Ich geh jetzt nach Hause«, sagte sie.
    Dann legte sie sich wieder hin. Sie sah Sofia an. Dann schloss sie die Augen.
    Im selben Augenblick wusste Sofia, dass Maria starb. Ihre Hand zuckte. Dann war sie fort.
    Sofia schrie.
    Die Frau am Fenster erwachte und erhob sich. Sie machte Licht und sah Sofia an. Dann schaute sie zu Maria.
    Sie versuchte Sofias Hand zu lösen. Aber Sofia ließ Maria nicht los.
    Dann tauchte sie wieder in die Dunkelheit. Irgendwo dort war Maria, das wusste sie.
    Bald war es wieder Morgen.
    Dann würde alles wie immer sein. Sie würden zum Acker laufen, wo Mama Lydia schon hockte und mit

Weitere Kostenlose Bücher