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Geheimnis des Feuers

Geheimnis des Feuers

Titel: Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ihr jemand weggenommen hatte. Aber Muazenas Gesicht war nicht da. Sofia schaute ins Feuer, bis nur noch Glut übrig war. Und dann Dunkelheit.
    Als sie wach wurde, war es ein neuer Tag. Die Schmerzen kamen und gingen in Wellen. Wieder tastete sie mit der Hand unter dem Laken. Das Bein war weg. Beim Knie war nur noch ein Stumpf übrig, eingewickelt in Verbänden.
    Sie war sehr müde. Die Schmerzen pochten und hämmerten. Sie war zu müde um darüber nachzudenken, was eigentlich mit ihrem Bein passiert war. Es war, als ob sie sehr weit gelaufen war und erst einmal zu Atem kommen musste. Vielleicht war sie so schnell gelaufen, dass das eine Bein nicht hatte mithalten können? Vielleicht würde es bald wieder an Ort und Stelle sein unterhalb des Knies?
    Doktor Raul kam in ihr Zimmer. Sie erkannte ihn jetzt, ohne zu wissen, wer er war. Aber er hockte sich immer neben ihr Bett, sodass sein Gesicht dem ihren nahe kam. Er lächelte. Sofia fand, er sah müde aus. Gab es kein Bett, in dem er sich ausstrecken und ausruhen konnte? »Wie geht es dir, Sofia?«, fragte er.
    »Jemand hat mein Bein weggenommen«, antwortete sie. Sie sprach so leise, dass er kaum verstand, was sie sagte.
    Er beugte sich weiter zu ihr vor und bat sie es zu wiederholen.
    »Mein eines Bein ist weg«, sagte Sofia. Er sah in ihre müden Augen. Er sah in ihr Gesicht, das voller Wunden war.
    Wieder spürte er den Zorn in seinem Herzen. Ein Kind, das seiner Fähigkeit zu laufen beraubt wurde, dachte er.
    Ein afrikanisches Mädchen, das niemals wird tanzen können.
    Er verstand, dass sie glaubte, nur ihr eines Bein sei verschwunden. Sie hatte immer noch nicht gemerkt, dass auch das andere fehlte.
    Er sah sie an und dachte, er müsste es ihr sagen. Das war besser, als wenn sie es allein entdeckte. Wie gern hätte er es ihr erspart! Er wünschte, dass er eines Tages nie mehr ein Mädchen wie Sofia in einem Krankenbett sehen müsste, zerrissen von einer Mine. Dennoch hatte er jetzt begonnen zu hoffen, dass dieses Mädchen überleben würde. Noch bestand die Gefahr, dass Infektionen auftreten könnten. Trotzdem glaubte er, sie würde es schaffen.
    Dieses Mädchen hatte eine erstaunliche Kraft. Er selbst würde wohl nie ganz verstehen, was für Leiden sie zu ertragen hatte. Aber sie war stark. Er dachte, Kraft ist nicht ein Mann, der hundert Kilo heben kann. Kraft ist ein Kind, das überlebt, nachdem es auf eine Mine getreten ist.
    Von den Krankenschwestern hatte er gehört, dass Sofia sehr selten schrie.
    Doktor Raul beugte sich tief über sie. »Nicht nur dein eines Bein ist weg«, sagte er. »Wir mussten dir auch das andere abnehmen. Sonst könntest du nie mehr gesund werden. Aber ich versprech dir, dass du zwei schöne künstliche Beine bekommst. Und du wirst wieder gehen können, Sofia. Das verspreche ich dir. Du bekommst zwei neue Beine. Sie werden deine besten Freunde sein für den Rest deines Lebens.«
    Er betrachtete ihr Gesicht.
    »Hast du verstanden, was ich gesagt habe?«, fragte er.
    Sofia ließ ihn nicht aus den Augen. Mit ihrer anderen Hand tastete sie ihren Körper ab. Ihr zweites Bein war auch weg. Sie sah Doktor Raul an.
    »Ich will meine Beine wiederhaben«, sagte sie.
    »Du bekommst neue Beine«, antwortete Doktor Raul.
    »Ich will keine neuen«, sagte sie. »Ich will meine alten haben.«
    Dann konnte sie nicht mehr sprechen. Die Schmerzen wurden zu groß. Eine Krankenschwester gab ihr etwas zu trinken. Bald schlief sie wieder.
    In Sofias unruhigen Träumen lebte Maria. Aber die Bilder waren zerschnitten und verworren. Das weiße Kleid hing auf José-Marias Wäscheleine. Dort hingen viele weiße Kleider, aber keine Laken. Totio trat seine Nähmaschine.
    Lydia stampfte Körner. Die ganze Zeit suchte Sofia nach Maria. Immer war sie verschwunden, immer war sie unsichtbar. Sie wusste, dass Maria da war. Aber sie konnte sie nicht sehen.
    Manchmal, wenn sie erwachte, waren die Schmerzen fast ganz weg. Wenn sie still dalag, ohne sich zu rühren, fühlte es sich fast an wie früher.
    In diesen Augenblicken, wenn die Schmerzen für eine Weile aufhörten, dachte sie, dass sie mit José-Maria reden müsste. Sie würde ihm erzählen, dass sie es gewesen war, die das Laken gestohlen hatte. Wenn sie es gestand, würde er ihr sicher helfen, ihre alten Beine zurückzubekommen.
    Er kam mehrere Male in der Woche zusammen mit Mama Lydia ins Krankenhaus. Häufig kam er dann allein in ihr Zimmer, bevor er Lydia holte, die draußen auf dem Flur wartete.
    Als er sie

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