Geheimnis des italienische Grafen
einziges meiner Worte gehört“, klagte sie.
„Oh, verzeihen Sie mir, meine liebe Lady Riverton“, bat er und schenkte ihr sein charmantestes Lächeln, das seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht nur selten verfehlte. Nur Thalia war offenbar immun dagegen.
Aber Lady Riverton nicht. Als er ihre Hand an die Lippen zog und die Luft über dem Glacélederhandschuh küsste, erwiderte sie sein Lächeln. Aber er dachte an Thalias Hand in seiner, an den Geschmack ihrer Haut unter der Seide.
Im Gegensatz zu Thalia war Ihre Ladyschaft keineswegs immun gegen den italienischen Charme. Entzückt begann sie zu kichern.
„Hier ist es furchtbar laut“, bemerkte er, „ein Riesenwirbel. Da versteht man sein eigenes Wort nicht.“
„Vielleicht sollten wir irgendwohin gehen, wo es ruhiger ist“, meinte sie in sanftem Ton.
Seine Augen verengten sich. War das die ersehnte Chance, ihr Vertrauen zu gewinnen? Eine Einladung in die streng bewachte Schatzkammer ihrer Villa? „Was schlagen Sie vor, meine liebe Lady Riverton?“
„Natürlich ein Amüsement im Spielsalon“, antwortete sie und klopfte mit ihrem Fächer auf seinen Arm. Die Federn flatterten direkt unter seiner Nase, und er nieste beinahe. „Was dachten Sie denn, Sir? Muss ich Sie daran erinnern, dass ich eine respektable Witwe bin, dem Andenken meines verstorbenen Gemahls treu ergeben? Der Ihr Freund war, nicht wahr?“
„Niemals würde ich das vergessen, Lady Riverton“, beteuerte Marco und küsste wieder ihre Hand. „Obwohl ich mir wünsche, es wäre anders.“
Lachend schüttelte sie den Kopf. „So verführerisch Sie auch sein mögen, mein lieber Conte, ich widerstehe der Versuchung. Wollen wir eine Partie Pikett spielen?“ Ihr Blick schweifte durch den Saal zu Thalia, die immer noch von Bewunderern umringt wurde. „Es sei denn, Sie ziehen es vor, die schöne Miss Chase um einen Tanz zu bitten. Dann müssten Sie natürlich gegen alle jungen Männer in diesem Raum kämpfen.“
„Warum sollte ich um irgendetwas kämpfen, wenn ich ohnehin schon einen erfreulichen Abend genieße?“ Marco legte Lady Rivertons Hand in seine Armbeuge und führte die Dame zur Tür.
Während sie an Thalia und ihren Verehrern vorbeigingen, schaute er sie sekundenlang an. Auch sie musterte ihn und hob die Brauen, als wollte sie ihn verspotten. Aber er glaubte Verwirrung in ihren Augen zu lesen. Dann versperrte ihm die Schar der jungen Männer die Sicht, und er verließ mit Lady Riverton den Ballsaal.
Thalias Blick verfolgte ihn. Was die Leute von ihm dachten, interessierte ihn nur selten. Für solche Überlegungen nahm er sich keine Zeit, weil er so viel zu tun hatte. Warum fand er Thalias Verachtung so schmerzlich – ihre Verwirrung so rätselhaft?
Und warum wollte er ihre Bewunderung erregen? Damit sie ihn so sonnig und offenherzig anlächelte wie vorhin ihren jungen Tanzpartner?
Diese Ziele schienen ihm so unerreichbar wie ein Erfolg seiner Mission hier in Bath. Trotzdem beschloss er, Thalias Lippen ein einziges echtes Lächeln zu entlocken, mit aller Macht – genauso, wie sein ganzes Sinnen und Trachten der Eroberung des antiken Tempelsilbers galt.
Egal, wie viele Hindernisse er überwinden musste …
Erst nach Mitternacht kehrte Marco ins White Hart Inn zurück. Bath war nicht mit London zu vergleichen, wo man sich zu jeder Tages- und Nachtzeit vergnügte. In der Kurstadt krochen die meisten Leute viel früher aus den Federn, um das Heilwasser zu trinken. Aber Lady Riverton hatte im Spielsalon einige Freunde getroffen, die sie beide zu einer informellen Kartenparty eingeladen hatten, nachdem die Assembly Rooms geschlossen worden waren.
Jetzt fühlte er sich müde und gelangweilt – und anscheinend war er seinem Ziel keinen Schritt näher gekommen.
„Habe ich mein Talent verloren?“, murmelte er und nahm sein zerknittertes Krawattentuch ab. „Jedenfalls steht eins fest – für das alles bin ich zu alt!“ Ständig Partys zu feiern, das hatte ihm in seiner Jugend Spaß gemacht. Aber jetzt war er dreißig, und solche Amüsements kamen ihm albern vor.
Oder vielleicht fehlte ihm nur die richtige Gefährtin.
Seufzend sank er in den Sessel und strich sich mit allen Fingern durchs Haar, bis es in zerzausten Locken über seine Augen fiel. Oft genug hatte er verrückte Dinge für Florenz getan, für Italien. Er war ein Dieb gewesen, ein Soldat und – der Himmel sei mir gnädig – der Verfasser wissenschaftlicher Abhandlungen. Jetzt mimte er auch noch einen
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