Geheimnis des italienische Grafen
Verführer, was jedoch ärgerlicherweise nicht zum erhofften Erfolg führte. Seine Chance, das Silber zu finden, war noch immer genauso gering wie damals in Santa Lucia.
Vielleicht sollte er die Kunst des Flirtens bei einem wahren Meister erlernen. Die Augen geschlossen, sah er Thalia in seiner Fantasie – lachend, mit strahlenden Augen, von Bewunderern umzingelt. Offenbar veranlasste sie alle Männer – ihn eingeschlossen –, ihr zu geben, was immer sie wollte. Und ihr alles zu erzählen.
Doch er wusste es besser. Dieser Versuchung durfte er nicht nachgeben. Nicht einmal, wenn es um eine so begehrenswerte junge Dame wie Thalia Chase ging.
Er öffnete die Augen, und sekundenlang stellte er sich vor, sie würde ihm auf dem Sofa gegenübersitzen. In die Brokatkissen zurückgelehnt, ein Bein über das andere geschlagen, wippte sie mit ihrem zierlichen Fuß und lächelte ihn an.
„Ich kann dir helfen, Marco, das weißt du“, wisperte sie. „Darum musst du mich nur bitten. Erinnerst du dich, was für ein gutes Gespann wir in Santa Lucia waren? Das wären wir auch jetzt.“
Entschieden schüttelte er den Kopf, und sie verschwand. Wieder einmal war er allein. Wie immer.
So musste es auch sein.
Er erhob sich aus dem Sessel und ging zu dem Schreibtisch, der mit Papieren übersät war, und suchte die Abhandlung, an der er gerade arbeitete. Auf seinen Versuchen, Italiens ruhmreiche Vergangenheit mit der künftigen Freiheit in Verbindung zu bringen, lag die Nachmittagspost. Zwischen den Einladungen und einer duftenden Nachricht von Lady Riverton entdeckte er einen zerknitterten Brief aus Neapel, der ihm offenbar auf einer weiten Reise gefolgt war, um in Bath einzutreffen. Er brach das Siegel auf. Schon jetzt wusste er, von wem der Brief stammte und was er enthalten würde.
Marco, wir brauchen Dich – es ist an der Zeit, lauteten die hastig hingekritzelten Zeilen. Niemand kann so gut mit dem Degen umgehen wie Du, niemand hält so mitreißende Ansprachen. Wo steckst Du? Schreib uns so bald wie möglich. Domenico.
Natürlich. Domenico de Lucca. Marco ließ den Brief auf den Schreibtisch zurückfallen. Ständig dachte Domenico, es wäre „an der Zeit“. Und dass Waffen, nicht schöne Worte, das Problem lösen würden.
Vielleicht würde der Tag anbrechen, an dem er recht behalten sollte. Dann würde er die Wissenschaft aufgeben und sich in einen Krieger zurückverwandeln müssen. Aber wenn es so weit war, durfte Thalia sich nicht in seiner Nähe aufhalten.
Nie wieder würde er eine Frau, die ihm sehr viel bedeutete, in eine so große Gefahr bringen.
8. KAPITEL
Thalia knöpfte ihren hellblauen Spenzer zu. Dann drehte sie sich vor dem Spiegel hin und her, um die Wirkung zu begutachten. War der À la militaire -Schnitt stilvoll genug? Oder zu stilvoll? Zu – kokett? Sie wollte hübsch aussehen, aber auch seriös. Vertrauenswürdig.
Wie eine junge Dame, die man ohne Zögern in Geheimnisse einweihte.
Sie berührte die Borten am gut geschnittenen Revers und wünschte, ihre Garderobe würde etwas mehr Kleidungsstücke enthalten, die nicht in Pastellfarben schimmerten. Mochten Blassblau, Rosa und Meergrün auch der neuesten Mode entsprechen – vielleicht würde Marco sie für intelligenter halten, wenn sie Schwarz trüge. Oder Braun. Oder lebhaftes Türkischrot und Jadegrün – die Farben, die Clio bevorzugte.
„Oh, verdammt“, flüsterte sie, zog die Jacke aus und schlüpfte in eine schlichte rosa Pelisse. Ob Marco ihr Clio, Lady Riverton oder irgendeine andere Frau vorzog, interessierte sie nun wirklich nicht. Nur aus Neugier und Höflichkeit hatte sie diesem Treffen zugestimmt. Seine Bewunderung oder seinen Respekt brauchte sie nicht.
Nein, ganz sicher nicht!
Sie setzte einen passenden Hut auf und streifte die Handschuhe über, dann schlich sie die Treppe hinab. Vom Ball in den Assembly Rooms erschöpft, schlief Calliope an diesem Morgen etwas länger. Thalia hatte allein im gemütlichen kleinen Speiseraum gefrühstückt. Darüber war sie froh gewesen – niemand, der Fragen stellte und wissen wollte, wie sie den Tag verbringen würde … Im Haus war es still. Nur aus dem Kinderzimmer drang Psyches hohes, schrilles Wimmern.
Offenbar will meine Nichte Aufmerksamkeit erregen – und zwar jetzt , dachte Thalia und blieb in der Eingangshalle vor dem Spiegel stehen. Eigentlich war der Name des Babys schlecht gewählt, denn man durfte wahrlich nicht erwarten, Psyche würde automatisch in Amors Arme sinken.
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