Geheimnis des Verlangens
was es ist. Und jetzt wißt Ihr auch nicht, wovon ich rede, nicht wahr? Nun, ich hätte Euch vielleicht verzeihen können, wenn Ihr es gewusst hättet, aber da das nicht der Fall ist, können wir die Sache vergessen.«
Wieder wandte sie sich der Kutsche zu, diesmal hielt er sie an den Schultern fest und zog sie erneut zurück. Sie versteifte sich, aber das einzige, was von ihm kam, war eine Warnung: »Wenn Ihr denkt, ich würde Euch mit diesem kryptischen kleinen Rätsel davonkommen lassen, denkt lieber noch einmal nach. Ich will eine Erklärung von Euch, Tanya, und ich will sie jetzt.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Dann könnte ich Euch vielleicht wieder einmal übers Knie legen.«
Heiße Röte schoß in ihre Wangen, verbunden mit einer brennenden Wut über seine Warnung. »Dann könnte ich vielleicht wieder mal ein Messer nach Euch werfen.«
Er seufzte und ließ sie los. »Also gut, Tanya, steigt in die Kutsche. Ihr habt uns heute morgen lange genug aufgehalten.«
»Weil ich in der letzten Nacht nicht genug Schlaf bekommen habe, dank Euch und meinem Möchtegern-Mörder«, erwiderte sie. Das trug ihr einen so energischen Schubs ein, dass sie beinahe durch die Tür auf der anderen Seite der Kutsche wieder hinausgeflogen wäre. Er folgte ihr in den Wagen, um ihr gegenüber Platz zu nehmen. Und da war auch wieder dieses Glühen in seinen Augen, dieses funkelnde Feuer, nach dem sie bereits Ausschau gehalten hatte.
»Ich habe Euch versprochen, dass es nie wieder vorkommen wird, Tanya. Was wollt Ihr denn sonst noch von mir hören?«
Zum Teufel mit ihm. Er war nüchtern und sagte es jetzt wieder. Er erklärte ihr unmissverständlich , dass er sie nie wieder berühren würde. »Nichts ... will... ich ... von Euch, gar nichts!«
Sie drehte sich zum Fenster um, bevor sie auch noch anfing zu weinen. Er sagte kein Wort mehr. Fast eine Stunde lang hielt das unterschwellig brodelnde Schweigen zwischen ihnen an. Und dann spürte Tanya plötzlich, wie ihr etwas in den Schoß fiel.
»Die da sind für Euch.«
Es war ein schmales, juwelenbesetztes Kästchen. Die da? Sie öffnete das Kästchen und starrte auf Diamanten, Perlen und Smaragde hinab. Es waren Dutzende davon, zu Ketten, Ringen und Armbändern verarbeitet. Mit dem, was sie da in Händen hielt, konnte sie hundert Tavernen kaufen, aber sie sah nur das, wofür diese Juwelen standen. Auf königliche Weise bezahlte Stefan sie für die letzte Nacht — denn Huren werden ja bekanntlich bezahlt, nicht wahr?
Diese Geste brachte sie derart in Rage, dass sie das Kästchen liebend gern aus dem Fenster geworfen hätte — oder ihm an den Kopf. Aber ihr Zorn schlug sich nicht in ihrem Tonfall nieder, sondern lediglich in ihren Worten. »Das sollte reichen, um meine Heimfahrt zu finanzieren.« Er entriss ihr das Kästchen so schnell, dass sie blinzelte. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Also werde ich eine andere Möglichkeit finden. Glaubt nur keinen Augenblick, dass ich nicht wüsste , wie man Geld verdient.«
Mit einigem Entzücken stellte sie fest, wie er rot anlief. Sie hatte natürlich an die Arbeit in Tavernen gedacht, aber sie wusste , dass er etwas ganz anderes vermutete.
»Man hat mir gesagt, Ihr hättet Euch wenigstens mit der Hochzeit abgefunden«, stieß er hervor.
»Das war, bevor ich daran erinnert wurde, was für ein niederträchtiger Bastard Ihr doch seid.«
Seine Augen leuchteten in der Farbe geschmolzenen Goldes. »Die letzte Nacht wird mir ewig leidtun , aber Ihr werdet mich heiraten, und Ihr werdet mit mir leben, ob es Euch gefällt oder nicht.«
»So?«
Es lag nicht in ihrer Absicht, ihn zu verspotten, aber er schien es so verstanden zu haben. Bevor sie überhaupt wusste , was er tat, ergriff er sie und zog sie auf seinen Schoß, ließ eine Hand in ihr Haar gleiten, um ihre Frisur restlos zu zerstören, und bemächtigte sich ihres Mundes mit einer exquisiten Art von Hunger. Schwindelerregende Erleichterung wogte in ihre Gliedmaßen und kehrte in Strömen süßer Verzückung zurück. Er berührte sie wieder, küsste sie wieder, und sie vergab ihm alles in ihrer Erleichterung, dass er sein Versprechen nicht halten konnte und dass die Gefühle, die sie in ihm weckte, eine größere Macht hatten, als selbst sein einmal gegebenes Wort.
Sie bemerkte nicht, dass dieser Kuss geschickt berechnet war, eigens dazu gedacht, ihren Widerstand zu schmelzen, so lange bis sie sich an ihn klammerte. Und sie klammerte sich tatsächlich an ihn, hatte nicht
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