Geheimnis des Verlangens
einmal versucht, ihm zu widerstehen. Wahrscheinlich würde sie später darüber nachdenken, wie unfair es war, dass er so etwas mit ihr machen konnte, wenn sie vor Wut kochte, aber im Augenblick konnte sie nichts anderes tun, als seinen Kuss zu erwidern.
Und dann knabberte er nur noch an ihr, an ihren Lippen, ihren Ohrläppchen, ihrem Hals, und sie wusste instinktiv, dass das, was er jetzt tat, kaum noch zu etwas führen würde. In ihrer Enttäuschung gelang es ihr, ihre aufgewühlten Sinne ein wenig zu dämpfen. Sie konnte jetzt jederzeit protestieren; er selbst gab ihr die Möglichkeit dazu. Aber da sie das überhaupt nicht wollte, entschied sie sich dafür, erst einmal abzuwarten, was er tun würde. Außerdem war die Art, wie er da so gemächlich mit ihr spielte, geradezu sündhaft herrlich, gerade erregend genug, um ihre Sinne wach und erwartungsvoll zu halten. Gleichzeitig löste er eine Mattigkeit in ihr aus, die sie mit seinem Körper verschmelzen ließ.
Endlich sah er sie an und hob ihr Kinn hoch, so dass sie seinem Blick nicht ausweichen konnte. Seine Augen waren nur sherryfarben und so weich, wie sie sie noch nie gesehen hatte. Außerdem sagte er kein Wort. Das allein holte sie vollends in die Realität zurück. Ihre Position jedoch behielt sie bei, halb in seinen Armen zurückgelehnt, ihre rechte Hand um seinen Hals geschlossen.
Mit einem Anflug von Selbstgefälligkeit fragte sie: »Was ist mit Eurem Versprechen geschehen?«
»Ich war nur ein kleines bisschen wütend.«
»Den Teufel wart Ihr«, schnaubte sie.
Er lächelte auf sie hinab. »Dann will ich es anders formulieren: Ich hatte mich vollkommen unter Kontrolle.«
»Ihr wolltet mich küssen?«
Damit war es um sein Lächeln geschehen. »Warum, zum Teufel, klingt Ihr so überrascht?«
»Euer Versprechen ...«
»Hatte nichts damit zu tun.«
»Wie bitte?« Es herrschte völlige Verwirrung, bis sie auf die Idee kam zu fragen: »Stefan, was genau habt Ihr mir eigentlich versprochen?«
Seinem neuen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, gefiel ihm dieses Thema nicht besonders. »Ich dachte, ich hätte mich ziemlich genau ausgedrückt.«
»Dann helft doch bitte meinem Gedächtnis etwas auf die Sprünge.«
»Ich habe Euch mein Wort darauf gegeben, dass ich in Zukunft niemals mehr meinen Zorn an Euch auslasse.«
Ihre Erleichterung war wieder da und hüpfte in ihr auf und ab. Aber dann fiel ihr plötzlich etwas ein. Bei diesem Gedanken zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. »Und an wem werdet Ihr Euren Zorn dann auslassen?«
»Ich werde wohl ein anderes Ventil finden müssen.«
»Alicia?«
Sie hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, nachdem ihr diese Frage entschlüpft war, vor allem, da er jetzt anfing zu grinsen. Seine Stimmung hatte sich vielleicht plötzlich verbessert, aber ihre ganz bestimmt nicht.
»Du warst doch nicht etwa eifersüchtig auf Alicia, oder?«
»Nicht das kleinste bisschen «, log sie. »Wo ist sie übrigens?« Diese Frage hättest du nicht stellen müssen, Missy. Halt... die ... Klappe.
»Auf ihrem Weg nach Cardinia, stelle ich mir vor. Sie ist schon ziemlich früh abgereist.«
»Ich dachte, sie würde mit uns reisen.«
Er warf ihr einen langen, nachdenklichen Blick zu, dann runzelte er die Stirn. Seine Arme schlössen sich fester um sie. Seine Narben zuckten.
Sie war schon wieder verwirrt, und diese Verwirrung nahm noch zu, als er heftig fragte: »Wolltet Ihr, dass sie mit uns reist? Vielleicht um mich davon abzuhalten, Euch zu küssen, wenn mir verdammt noch mal danach zumute ist?«
Wie kam er denn jetzt darauf? fragte sie sich verdrossen. Ihre unschuldige Bemerkung? Höchst unwahrscheinlich.
»Was hat Euch auf diese Idee gebracht?«
»Das habt Ihr ihr doch selbst erzählt, nicht wahr?«
Tanya keuchte vo r Empörung. »Ich habe ihr nichts dergleichen erzählt! Und Tatsache ist, dass sich das ziemlich genau so anhört wie das, was sie mir erzählt hat —dass ich nämlich dankbar dafür sein solle, dass sie da sei, weil ich unmöglich den Wunsch haben könne, dass Ihr mich auf diese Art belästigt. Und sie würde schon dafür sorgen, dass es nicht dazu komme. Sie hatte die ungeheure Bosheit vorauszusetzen, dass sie wüsste , was ich will. Welche anderen Lügen hat Euch dieses Miststück noch über mich erzählt?«
Stefan antwortete nicht. Er wusste nicht, wem er nun glauben sollte — Tanya, die manchmal so merkwürdige Dinge von sich gab, dass er nie wusste , was der Wahrheit entsprach und was nicht, oder
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