Geheimnis des Verlangens
Aufmerksamkeit zu wecken. Instinktiv zuckte sie zurück, damit das sorgfältig aufgetragene Make-up auf ihrem Gesicht nicht in Gefahr geriet. Stefan jedoch bezog dieses Zurückschrecken auf sich selbst.
So sehr er auch daran gewöhnt war, auf Ablehnung und Widerwillen zu stoßen, empfand er doch bittere Enttäuschung darüber, dass dieses Mädchen seine Berührung nicht ertragen konnte, nicht einmal in einer so unschuldigen Geste. Denn anders als seine Freunde verspürte er eine geradezu wilde Freude darüber, dass sie diejenige sein könnte, nach der sie suchten. Aber natürlich vergaß er dabei immer wieder, mit wem er's zu tun hatte — sie war eine Hure und als Königin denkbar ungeeignet. Nun, er würde das nicht noch einmal vergessen.
Er wandte sich von ihr ab und tauschte mit Lazar den Platz. Seine Anweisung dabei war kurz und unmißverständlich: »Frag du sie.«
Lazar war mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass weitere Fragen eigentlich völlig überflüssig waren. Die anderen dachten offensichtlich dasselbe: Vasili hatte sich an die Wand gelehnt, hatte die Augen geschlossen und hämmerte dumpf mit dem Kopf gegen das Holz. Serge saß mit zusammengesunkenen Schultern auf der untersten Treppenstufe und hatte den Kopf auf seine Fäuste gestützt. Stefan war einfach nur zornig. Kein Wunder! Wenn das Mädchen ihn jetzt schon verschmähte, wie sie alle es gerade beobachten konnten, wie groß würde ihre Verachtung dann sein, wenn sie erst wusste , wer sie war.
Lazar war gewiss nicht glücklicher darüber als die anderen. Zu schade, dass sie nicht die Schönheit war, die sie erwartet hatten, aber das war immer noch nichts im Vergleich zu dem, was sie war! Eine gewöhnliche Tänzerin, ein Barmädchen — eine Hure. Jesus! Es würde Sandor wahrscheinlich umbringen, wenn er erfuhr, was aus dem Kind geworden war, das er selbst weggeschickt hatte und das sein Sohn nun auf seinen eigenen Befehl hin zur Frau nehmen würde.
Nein, Lazar brauchte weder weitere Antworten noch irgendwelche sichtbaren Beweise für sich selbst, sondern nur noch für das Protokoll. Dementsprechend war er der erste von ihnen, der Tanya mit Respekt behandelte. Als er vor ihr stand, verbeugte er sich formell und stellte sich vor, wobei er seinen Titel jedoch wegließ. Er hätte auch ihre Hand ergriffen und an seine Lippen geführt, aber sie hatte ihre Arme über der Brust verkreuzt und bedachte ihn mit einem Blick aus ihren schmalen Augen, der eine eindeutige Warnung enthielt. Er brauchte nur einen Augenblick, um zu begreifen, dass sie dachte, er wolle sich über sie lustig machen. Vasili s Hohngelächter im Hintergrund würde auch nicht gerade dazu beitragen, ihre Meinung zu ändern. Lazar entschied sich dafür, es gar nicht erst zu versuchen.
»Können Sie uns sagen, Mistress, ob Sie irgendwelche außergewöhnlichen Muttermale besitzen?«
»Eines. Aber das würde ich nicht gerade außergewöhnlich nennen.«
»Könnten Sie es uns bitte beschreiben?«
»Es ist ein rosafarbener Fleck auf meiner Haut. Ein ziemlich großer, aber weicher Leberfleck.«
»Und an welcher Stelle?«
Als sie errötete, war Lazar ganz sicher, dass sie das Mal nur nicht richtig beschrieben hatte, und versicherte ihr: »Die Stelle, an der sich das Mal befindet, ist wichtig, Mistress.«
»Es ist auf meinem — in der Gegend von meinem ...«
»Sie können einfach auf die Stelle zeigen«, bot er ihr an, als sie noch tiefer errötete.
Sie warf ihm einen finsteren, verlegenen Blick zu. »Meine Arme bedecken es gerade«, fauchte sie.
»Bedecken?« Er runzelte die Stirn und starrte auf ihren Busen. »Aber — nein, Sie tragen noch ein anderes Mal!«
»Nein, das tue ich nicht.«
»Aber Sie müssen noch eins haben«, beharrte er.
»Nein!« Tanya war mittlerweile wirklich ärgerlich. Es war genau das eingetreten, was sie erwartet hatte. Was auch immer diese Männer suchten, sie besaß es nicht.
»Ich verstehe nicht...«
»Um Himmels willen, Lazar«, mischte sich jetzt Vasili ein. »Du hast deine Antwort. Sie hat es zweimal wiederholt. Laß uns dankbar sein und von hier verschwinden, bevor sie ihre Meinung ändert.«
»Eine glänzende Idee«, pflichtete Tanya ihm bei, obwohl es offensichtlich war, dass niemand ihr zuhörte.
»Es ergibt einfach keinen Sinn. Alles weist darauf hin ...«
»Ein zufälliges Zusammentreffen der Ereignisse, wie ich vorhin schon sagte.«
»Ein Ereignis, bei dem zwei Frauen auf dieselbe Art und Weise gestorben sind, ungefähr zur
Weitere Kostenlose Bücher