Geheimnis des Verlangens
eine tröstende Brust. Sie nahm an, dass es Lazar war, aber sie blickte nicht auf, um sich zu vergewissern, denn in diesem Augenblick war es ihr egal. Ein heftiges, ungehemmtes Schluchzen hallte durch den Wald. Sie weinte! Und das, obwohl sie noch vor wenigen Augenblicken so ungeheuer wütend gewesen war. Was für eine Demütigung! Und dabei hätte sie nicht einmal sagen können, warum sie weinte — ganz bestimmt nicht, weil dieser Satan mit den teuflischen Augen sie nicht leiden konnte.
Sie machte einen solchen Lärm, dass es eine ganze Weile dauerte, bis sie die tröstenden Worte, die zu ihr gesprochen wurden, überhaupt hören konnte. Als sie sie aber hörte, versteifte sie sich und versuchte, sich loszureißen. Aber die Arme, die sie umfingen, schlössen sich nur noch fester um sie. Sie würde sich trösten lassen müssen, ob es ihr gefiel oder nicht, und zwar von ihm. Das war ja wohl das allerletzte. Es gab nichts, was er sagen konnte ...
»Es tut mir leid, Tanya, manchmal bin ich wirklich der Teufel, als den man mich bezeichnet. Ich habe Euch gewarnt, oder? Und manchmal, wenn ich überrascht bin ...«
»Ihr meint enttäuscht, nicht wahr?« unterbrach sie ihn bitter.
»Überrascht reicht«, erwiderte er. »Ich bin noch nie gut zurechtgekommen mit Überraschungen.«
»Ihr reagiert überhaupt auf eine Menge Dinge ziemlich ungewöhnlich, nicht wahr, Stefan?«
Es war sicher nicht gerade ihre beste Idee gewesen, diese Tatsache zu betonen, während seine Arme sie noch immer umfangen hielten. Aber die Gefahr, von ihm geküßt zu werden, bestand ja ohnehin nur, wenn er ärgerlich war oder es galt, ein Abkommen zu besiegeln. Und diese Gefahr war jetzt zweifellos vorüber, nachdem er wusste , wie sie wirklich aussah. Eigentlich sollte sie erleichtert darüber sein. Warum also war sie es nicht?
Er blieb so lange still, dass sie nicht sicher war, ob er überhaupt noch auf ihre Bemerkung antworten würde, aber er tat es. »Ihr kommt mit meinen ungewöhnlichen Reaktionen doch ganz gut zurecht, oder?«
Wieder schoß die Farbe in ihre Wangen, und diesmal hatte sie keinen grauen Puder, um auch nur das kleinste bißchen davon zu verbergen. Das einzige, was sie hatte, war seine breite Brust.
»Das war aber ein ziemlich kurzer Waffenstillstand«, sagte sie müde.
Seine Hand strich über ihren Hinterkopf, und mit dieser Geste preßte er sie noch enger an sich. Er tröstete sie, sogar während er sie beleidigte? Dieser Mann tat wirklich nichts auf normal Weise.
»Ich wollte Euch nicht kränken«, sagte er sanft neben ihrem Ohr. »Es gibt Frauen mit ungeheurer Erfahrung, die immer noch Angst haben, wenn ich ... Aber ein unschuldiges Mädchen wäre natürlich noch viel schlimmer dran. Das wenigstens ist ein Vorteil bei Euch.«
Und sonst nichts? Aber das sagte er nicht. Er legte es wenigstens nicht darauf an, sie zu beleidigen.
»Ein paar von den unschuldigen Mädchen würden ganz genauso reagieren wie ich«, gab sie zurück. »Aber ich nehme nicht an, dass ich mir diesbezüglich jetzt noch Sorgen machen muss , oder?«
Er seufzte. »Ich habe Euch schon wieder wütend gemacht.«
Das einzige, was Tanya bemerkte, war die Tatsache, dass er ihre Frage nicht beantwortet hatte. »Ihr könnt mich jetzt loslassen, Stefan. Der Regen hat aufgehört, falls Ihr es noch nicht bemerkt haben solltet.«
Sie hörte ihn auflachen, und er hob ihr Gesicht, so dass sie sehen konnte, dass er immer noch lächelte. Seine Art, ihr zu sagen, dass er zumindest bereit war, die harten Worte zu vergessen, die zwischen ihnen hin und her geflogen waren, und dass er bereit war, einen neuen Anfang zu machen — schon wieder. Aber er wusste nicht, dass sie es haßte, wenn er lächelte. Er wusste nicht, dass sich ihr Puls jedesmal, wenn er das tat, unangenehm beschleunigte. Sie betrachtete seine Lippen und spürte seinen Körper, der an sie gepreßt war. Und wieder überfiel sie dieses seltsame flatternde Gefühl in ihrem Innern. Hölle und Teufel, wie konnte er jetzt noch diese Wirkung auf sie haben, nachdem er gerade erst so eklig zu ihr gewesen war?
Sie fühlte, wie er sich straffte, kurz bevor er sie losließ, und einen Augenblick lang hatte sie den Eindruck, als habe er gespürt, was sie empfand — und als sei er alles andere als erbaut über diese Entdeckung. Sie wandte sich von ihm ab, um diesen Verdacht nicht in seiner Miene bestätigt zu finden.
»Für welche Richtung habt Ihr Euch nun entschieden?« fragte sie in möglichst neutralem
Weitere Kostenlose Bücher