Geheimnis um ein gestohlenes Bild
etwas Interessantes zu erzählen, und ich möchte gern hören, was er zu der Geschichte mit den Lorenzos sagt.”
Ern ließ den Bleistift sinken und starrte seine Tante ganz entsetzt an. Der Gedanke, hier mit dem gefürchteten Onkel Tee trinken zu müssen, machte ihn fast krank. Der Onkel sollte ja nicht einmal wissen, daß er in Peterswalde war.
„Nein, Tantchen, lade ihn bitte nicht ein!” bat er flehentlich. „Er kann mich nicht leiden, und ich fürchte mich vor ihm.”
„Ach, hab’ dich nicht so!” entgegnete die Tante. „Er ist kein schlechter Mensch, und es ist ganz nützlich, einen Polizisten in der Familie zu haben.”
Ern war anderer Meinung. Er hätte gern auf die Verwandtschaft mit Herrn Grimm verzichtet. Bedrückt steckte er sein Notizbuch fort. Schade, daß es die Tante an den Polizisten erinnert hatte!
Frau Wusch stand auf. „Ich muß jetzt abwaschen. Geh in den Garten und spiel mit den Mädchen. Du wirst bestimmt gut mit ihnen auskommen.”
Ern bezweifelte das. Als er aus der Tür trat, wurde er auch gleich mit Erde beworfen und mit Gekicher begrüßt. Er sah sich nach den Zwillingen um und entdeckte sie schließlich auf einer Fichte.
Schon wollte er zu schelten beginnen; doch da kam ihm ein glänzender Einfall, und er verschluckte seinen Ärger. Der große Baum stand dicht neben der Hecke, die den Garten vom Nachbargrundstück trennte. Von oben mußte man das Haus der Larkins und den Garten gut übersehen können. Die Fichte war ein idealer Beobachtungsplatz.
„He, ihr Mädchen!” rief Ern hinauf. „Soll ich euch zeigen, wie man auf einem Baum ein Haus baut?”
Einen Augenblick herrschte verdutztes Schweigen. Dann beugte sich Glad vorsichtig hinunter und antwortete: „Ja, zeig es uns. Aber benimm dich anständig, wenn du raufkommst. Sonst schmeißen wir dich runter.”
Ern unterdrückte einen aufsteigenden Ärger. Die Mädchen konnten ihm unter Umständen sehr nützlich sein, und er mußte sich gut mit ihnen stellen. Da die Fichte leicht zu erklettern war, befand er sich bald bei ihnen. Sie lachten ihn an.
„Haben wir dich getroffen? Wir haben schon wer weiß wie lange auf dich gelauert. Hat Ma die ganze Zeit über mit dir gesprochen?”
Sie erwarteten keine Antwort auf ihre Fragen und waren daher auch nicht weiter böse, daß Ern sie nicht beachtete, sondern die dichten Zweige der Fichte auseinanderbog und in den Nachbargarten spähte.
„Was machst du da? Willst du hier oben ein Haus bauen? Können wir darin wohnen? Bekommt es auch einen Schornstein?”
Ern stellte mit Befriedigung fest, daß er von seinem Platz aus das Grundstück nebenan übersehen konnte. Das kleine Haus der Larkins wäre so nah, daß er sogar den Rauch roch, der aus dem Schornstein kam. Er zog sein Taschenmesser heraus und schnitt ein paar Zweige ab, so daß eine Art Guckfenster entstand.
Die Zwillinge beobachteten ihn neugierig. „Warum machst du das? Willst du die Larkins bespitzeln? Wir können sie nicht leiden. Wollen wir einen Stein in ihren Schornstein schmeißen?”
Dieser Vorschlag gefiel Ern sehr. Er hatte noch niemals versucht, Steine in einen Schornstein zu werfen. Hier würde es gut gehen. Aber vielleicht fiel der Stein aufs Dach, und dann würden die Larkins wütend aus ihrem Haus heraus kommen und ihn entdecken. Nein, das durfte er nicht riskieren.
„Hört mal zu, Kinder!” sagte er. „Wir spielen jetzt, daß die Larkins unsere Feinde sind, und beobachten alles, was sie tun. Ich werde hier oben ein kleines Haus bauen, und dann halten wir abwechselnd Wache.”
Die beiden Mädchen nickten begeistert.
„Wenn ich nicht da bin, müßt ihr wachen und mir dann berichten, was ihr gesehen habt, denn ich bin euer Häuptling.”
Die Mädchen starrten Ern bewundernd an. Sie waren hingerissen von seinem Plan und sofort bereit, alles zu tun, was er von ihnen verlangte.
„Ich hole jetzt etwas Baumaterial”, sagte er und kletterte den Baum hinunter. Als er unten angelangt war, rief er leise: „Haltet gut Wache, während ich fort bin!”
Im Garten begegnete er seinem Onkel. Herr Wusch war ein großer schweigsamer Mann und kam nur zu den Mahlzeiten nach Hause. Ern fürchtete sich ein wenig vor ihm, aber er überwand seine Scheu und fragte ihn, ob er ein paar Bretter und Nägel bekommen könne.
„Ist alles im Schuppen”, antwortete der Onkel. „Hol dir, was du brauchst.”
Ern dankte ihm erfreut und lief zum Schuppen. Nun wollte er einen Beobachtungsstand auf der Fichte errichten. War
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