Geheimnis um eine Efeuvilla
in der Küche als bei seinem Onkel im Dienstzimmer. Vielleicht sollte er ihr sein Gedicht vorlesen, um sie in bessere Laune zu bringen.
„Ich schreibe Pösie, Frau Mickel”, sagte er.
„Na, das ist wohl nicht weiter schwer”, meinte sie. „Wenn ich Zeit dazu hätte, würde ich es auch tun.”
Das klang nicht gerade ermutigend, aber Ern gab es noch nicht auf. „Ich möchte gern wissen, wie Ihnen mein letztes Gedicht gefällt. Soll ich es Ihnen aufsagen?”
„Wenn du willst?” Frau Mickel rührte in einem Topf.
„Gedichte sind meistens albern. In der Schule hab’ ich auch welche aufgesagt.”
„Aber dieses Gedicht habe ich selber gemacht – oder wenigstens den Anfang. Dietrich hat es zu Ende gedichtet.”
Ern zog sein Notizbuch aus der Tasche, stand vom Stuhl auf und begann das Gedicht von dem armen alten Haus vorzulesen. Er bemerkte nicht, daß Herr Grimm in die Küche trat und ihm erstaunt zuhörte. Als er zu Ende war und die polternde Stimme seines Onkels hörte, fuhr er erschrocken zusammen.
„Machst du schon wieder Gedichte, Ern? Warum verschwendest du deine Zeit mit dem Firlefanz? Gib mir mal dein Notizbuch. Ich will sehen, was sonst noch drin steht.”
„Nein, Onkel, mein Notizbuch ist mein Privateigentum”, widersprach Ern, der einiges über die Versammlungen der Spürnasen darin notiert hatte.
„Hör mal – –” Der Polizist kam auf ihn zu. Da flitzte Ern durch die Hintertür in den Hof. Draußen war es dunkel. Undeutlich sah er, wie sich etwas Schwarzes bewegte, und schrie: „Onkel, hier ist jemand! Komm schnell!”
Herr Grimm stürzte hinaus und rannte gegen eine Decke, die auf der Wäscheleine im Wind wehte und von Ern für einen Menschen gehalten worden war. Die Leine zerriß, und der Polizist verwickelte sich in die Decke. Als er dann mit der zerrissenen Leine, auf der noch andere Sachen hingen, schimpfend in die Küche schwankte, floh Ern wie der Blitz nach oben in sein Zimmer und schloß sich ein.
Nun bekam er zwar kein Abendbrot, aber er hatte sein Notizbuch gerettet und war dem wütenden Onkel entkommen. Als er ihn unten in der Küche poltern hörte, freute er sich, daß er noch rechtzeitig geflüchtet war. Warum hatte er sich bloß bereit erklärt, dem bösen Onkel zu helfen? Das wollte er niemals wieder tun.
Unterdessen grübelte Dicki über den anonymen Briefen. Die Spürnasen waren in eine Sackgasse geraten. Sie hatten weder die Efeuvilla noch den richtigen Schmidt gefunden. Was sollten sie nun machen?
„Mir bleibt nur noch eins übrig”, dachte Dicki, „und das wird eine furchtbar knifflige Arbeit. Ich muß die auf geklebten Wörter von den Briefen ablösen und sehen, was auf der anderen Seite steht. Vielleicht bekomme ich dadurch heraus, aus welcher Zeitung sie ausgeschnitten sind, und das könnte ein Hinweis auf den Absender sein.”
Nach dem Abendessen ging Dicki in seinen Schuppen und machte sich ans Werk. Es war wirklich sehr knifflig, und nach einer Weile ging auch noch die Petroleumlampe aus. Ärgerlich raffte er seine Sachen zusammen und ging in sein Zimmer, um dort weiterzuarbeiten.
Das Wort „Grim” war niemals aus einzelnen Buchstaben zusammengesetzt, mußte also der zusammenhängende Teil eines Wortes sein. Aber von welchem Wort? Grim … Dicki starrte grüblerisch auf die Buchstaben. Ihm wollte kein Wort einfallen, das so begann.
Auf einmal tat sich die Tür auf, und Frau Kronstein guckte ins Zimmer. „Hast du mein Bibliotheksbuch genommen, Dietrich? Was sind denn das für Papierschnitzel?”
„Ach, ich versuche ein Rätsel zu lösen”, antwortete Dicki.
Seine Mutter nahm das Schnipsel in die Hand, auf dem „Grim” stand. „Ist es ein geographisches Rätsel? Vielleicht soll das hier Grimsby heißen.”
„Grimsby!” rief Dicki. „Darauf bin ich gar nicht gekommen. Ist Grimsby. in letzter Zeit viel in den Zeitungen genannt worden? Ist dort etwas Besonderes passiert?”
„Nein, ich kann mich nicht erinnern, etwas über Grimsby gelesen zu haben. Da liegt ja mein Buch. Wie konntest du es nur fortnehmen!”
„Entschuldige, Mutter! Ich hab’ es aus Versehen getan. Sieh nur, es sieht fast genauso aus wie meins.”
„Schon gut. Soll ich dir bei dem Rätsel helfen? Ich löse sehr gern Rätsel, wie du weißt.”
„Nein, danke, bemüh dich nicht”, wehrte Dicki hastig ab. „Es ist ein hoffnungsloser Fall. Ich glaube, ich gebe es auf.”
Und das tat Dicki auch, nachdem er noch eine Weile an den ausgeschnittenen Buchstaben
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