Geheimnis um eine Efeuvilla
mag. Er hat genug für seine Schuld gebüßt. Und er hat es nur aus Liebe zu mir getan.”
„Machen Sie sich nicht zu viel Sorgen”, antwortete Dicki, gerührt von dem Vertrauen der alten Frau. „Im Krankenhaus wird Ihr Mann bald gesund werden.”
„Als er aus dem Gefängnis entlassen wurde, nahmen wir einen anderen Namen an”, erzählte Frau Schmidt. „Wir konnten es nicht aushalten, daß die Leute mit Fingern auf uns zeigten, und versuchten uns zu verstecken. Aber es kam immer irgendwie heraus, wer wir waren. Schließlich übertrug uns Frau Hasterley die Aufsicht über ihr Haus.”
„Frau Hasterley?” rief Dicki überrascht. „Sie wohnte früher hier, als das Haus noch Efeuvilla hieß, nicht wahr?”
„Ja, jetzt ist sie schon sehr alt. Vielleicht hast du von ihrem Sohn Wilfried gehört. Er war in einen Juwelendiebstahl verwickelt und ist im Gefängnis gestorben. Aber die Juwelen haben sich niemals wiedergefunden. Seinem Vater brach die Geschichte das Herz, und seine Mutter ist auch niemals darüber hinweggekommen. Deshalb zog sie von hier fort. In allen Zeitungen erschienen damals Bilder von der Efeuvilla.”
„Deshalb wurde das Haus wohl in ,Feengrotte’ umgetauft”, sagte Dicki.
„Ja, aber trotzdem will es kein Mensch kaufen. Wilfried war im Grunde kein schlechter Mensch, sondern nur leichtsinnig und schwach. Seine beiden Freunde hatten ihn zu dem Diebstahl angestiftet. Der eine kam gleichzeitig mit ihm ins Gefängnis, der andere konnte ins Ausland flüchten. Gefängnis ist etwas Furchtbares, mein Junge. Sieh nur, was es aus meinem armen Mann gemacht hat!”
Dicki hob horchend den Kopf. „Ich glaube, ich höre den Krankenwagen. Ern, geh bitte hinaus und sag den Leuten, sie möchten möglichst bis vor die Tür fahren.”
Herr Schmidt, der unterdessen völlig teilnahmslos dagelegen hatte, machte die Augen auf. „Maria, was wirst du nun tun?” flüsterte er mit heiserer Stimme. „Wo wirst du nur bleiben?”
„Ich weiß es nicht”, antwortete sie. „Aber ich werde schon irgendwo unterkommen. Sobald es geht, besuche ich dich im Krankenhaus.”
Ern kam ins Zimmer und meldete: „Zwei Männer mit einer Trage und eine Schwester sind da. Der Doktor kann leider nicht kommen, aber die Schwester weiß Bescheid.”
Nun kam eine junge Krankenschwester herein. „Hier ist also mein Patient”, sagte sie freundlich. „Machen Sie sich keine Sorgen, liebe Frau, wir werden gut für ihn sorgen.”
Sie winkte den beiden Männern, und sie kamen mit einer Trage herbei.
Nach kurzer Zeit lag Herr Schmidt im Krankenwagen. Er konnte seiner Frau nicht einmal auf Wiedersehen sagen, weil er wieder einen Hustenanfall bekam. Sie hielt seine Hand bis zum letzten Augenblick fest. Dann wurde die Tür geschlossen, und der Krankenwagen fuhr davon.
Frau Schmidt sah ihm verloren nach. „Ich kann jetzt unmöglich meine Sachen packen”, sagte sie leise. „Und wohin soll ich auch ziehen?”
„Bleiben Sie heute nacht noch hier”, riet ihr Dicki. „Morgen werden wir weitersehen. Meine Mutter findet bestimmt einen Ausweg. Aber es gefällt mir nicht, daß Sie die Nacht hier allein zubringen sollen.”
„Ich werde bei ihr bleiben”, sagte Ern unerwartet. Das Unglück der alten Leute ging ihm sehr nah. Er wollte unbedingt etwas für sie tun, und da ihm nichts anderes einfiel, erbot er sich eben, bei Frau Schmidt zu bleiben.
„Das ist nett von dir, Ern”, sagte Dicki. „Ich wollte dir eigentlich ein Bett bei uns anbieten. Aber Frau Schmidt wird dir bestimmt dankbar sein, wenn du hier schläfst.”
„Ja, das bin ich wirklich.” Über Frau Schmidts Gesicht glitt ein schwaches Lächeln. „In der Küche steht ein Sofa, da kannst du dich hinlegen. Ich finde es lieb, daß du mir Gesellschaft leisten willst. Du bekommst auch etwas Gutes zum Abendbrot.”
„Ich fahre jetzt nach Hause und frage meine Mutter, ob sie Ihnen helfen kann”, sagte Dicki.
„Ich kann nähen oder sonst etwas arbeiten. Du brauchst nicht zu befürchten, daß ich jemand zur Last falle.”
„Das befürchte ich auch gar nicht. Auf Wiedersehn bis morgen. Ern wird unterdessen für Sie sorgen, nicht wahr, Ern?”
„Natürlich!” Ern begleitete Dicki zur Tür und fragte ihn leise: „Worüber soll ich denn mit ihr reden?”
Dicki überlegte ein wenig. „Lies ihr deine Gedichte vor. Sie wird staunen, daß du so gut dichten kannst.”
„Alle Wetter, das ist eine Idee! Vielleicht kann ich Sie damit etwas aufmuntern.”
„Vielen Dank
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