Geheimnis um eine Efeuvilla
war.
„Haben Sie immer noch nicht Schmidt aufgesucht, Sie Schafskopf?” lautete der Brief, der wieder aus aufgeklebten Buchstaben bestand.
„Wann waren Sie zuletzt in der Speisekammer, Frau Mickel?” fragte Dicki.
„Vor zwanzig Minuten etwa. Ich nahm für die Katze etwas Fisch von der Schüssel und stellte sie dann wieder zurück. Der Brief war noch nicht da, das kann ich beschwören.”
„In den letzten zwanzig Minuten kann er aber nicht dorthin gelegt worden sein”, erwiderte Ern bestimmt. „Ich sah ja schon seit einer halben Stunde aus dem Fenster und beobachtete den Hof.”
„Dein Freund ist doch zu dir gekommen”, entgegnete Frau Mickel. „Der Brief wurde wohl gebracht, als du dich mit ihm unterhieltest und nicht aufpaßtest.”
„Ich hab’ die ganze Zeit über aufgepaßt.”
„Aber ich hab’ euch doch sprechen hören. Wenn man sich unterhält, kann man nicht richtig aufpassen. Warte nur, dein Onkel wird schön schelten.”
„Ich verstehe nicht, wie jemand über den Hof gehen konnte, ohne von Ern gesehen zu werden”, sagte Dicki.
„Wahrscheinlich weiß er, daß Ern oben Wache hält. Er muß sich irgendwo in der Nähe versteckt halten und immer einen geeigneten Augenblick abpassen.”
Frau Mickel nickte zustimmend. „So ist es. Der Kerl ist ganz gerissen. Ein paarmal war mir so, als hörte ich seine Schritte, aber gesehen habe ich ihn noch nie. Ich lebe schon dauernd in Angst.”
„Da kommt Onkel”, sagte Ern, als die Haustür ging.
„Himmel, wird der toben, wenn er hört, daß vor meiner Nase wieder ein Brief gebracht worden ist!”
Herr Grimm kam pfeifend in die Küche und sagte gut gelaunt: „Frau Mickel, machen Sie mir bitte eine Tasse Tee. Ach, guten Tag, Dietrich. Warum bist du nicht oben, Ern? Du sollst doch den Hof bewachen.”
„Ach, ich – – Frau Mickel hat eben wieder einen Brief gefunden. Sie schrie so laut, und da kamen Dicki und ich herunter, um zu sehen, was los ist.”
„So, so. Na, in Zukunft werden keine Briefe mehr kommen. Der Absender wird bald erfahren, daß der alte Schmidt aus Haus Feengrotte ’rausgesetzt worden ist. Ich habe ihm befohlen auszuziehen.”
„Aber warum denn?” fragte Dicki, ganz erschrocken darüber, daß die alten Leute auf die Straße gesetzt werden sollten.
„Komm mit Ern in mein Dienstzimmer”, sagte der Polizist sehr zufrieden mit sich. „Jetzt sollst du einmal hören, wie die Polizei in solchen Fällen vorgeht.”
Die beiden Jungen folgten Herrn Grimm ins Dienstzimmer, während Frau Mickel ärgerlich in der Küche zurückblieb.
„Setzt euch!” befahl der Polizist. Als Dicki und Ern sich hingesetzt hatten, lehnte er sich in seinen Sessel zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und sah sie eine Weile schweigend an.
„Auf eine Information hin, die ich heute morgen erhielt, bin ich zum Haus Feengrotte gegangen”, begann er endlich.
„Übrigens hatte das Haus früher den Namen ,Efeuvilla’. Dort fand ich den gewissen Schmidt, von dem die anonymen Briefe handeln. Seine Frau wollte mich gar nicht hereinlassen, sagte, ihr Mann wäre krank und ich dürfe ihn nicht stören. Aber ich schubste sie einfach beiseite.”
„Sie haben die alte Frau geschubst?” rief Dicki empört.
„Nun, ich schob sie zur Seite, wenn dir der Ausdruck besser gefällt. Dieser Schmidt lag tatsächlich im Bett und spielte den Kranken. Aber ich fiel nicht darauf herein, sondern befahl ihm aufzustehen und fragte ihn, warum er unter falschem Namen lebe.”
Herr Grimm machte eine Pause, wohl um den beiden Jungen Gelegenheit zu geben, sein tatkräftiges Vorgehen zu bewundern. Da sie aber nichts sagten, fuhr er selbstgefällig fort: „Die alte Frau packte mich am Arm und begann zu weinen. Sie sagte, ihr Mann hieße eigentlich Wolf, und da fiel mir eine böse Geschichte ein. Dieser Wolf hat vor einiger Zeit einen geheimen Kriegsplan an den Feind verkauft und saß deswegen jahrelang im Gefängnis. Und als er aus dem Gefängnis entlassen wurde, sollte er sich regelmäßig bei der Polizei melden. Aber das tat er nicht, sondern er nahm einen falschen Namen an und verschwand. Seine Frau hat ihm natürlich dabei geholfen.”
„Deshalb stand in dem Brief, Sie sollten ,geheim’ zu Herrn Schmidt sagen!” rief Dicki. „Dann würde er davonrennen.”
„Ich habe ihm auch gesagt, daß er sich davonmachen soll. Ein solcher Mann darf nicht Hausverwalter sein.”
„Aber er ist doch krank!”
„Das ist alles nur Theater. Mir kann er nichts
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