Geheimnis um eine giftige Feder
Dicki zur Hintertür. Er trug ein kleines Päckchen bei sich, das sauber verpackt und verschnürt war und sehr verheißungsvoll aussah. Frau Schlimm öffnete ihm.
„Ich bringe ein Päckchen für Sie”, sagte er. „Quittieren Sie bitte – in großen Druckbuchstaben der Deutlichkeit halber. Namen und Adresse bitte!”
„Meine Hände sind voller Mehl”, antwortete Frau Schlimm. „Unterzeichne du für mich, mein Junge.”
„Tut mir leid”, entgegnete Dicki. „Sie müssen selber unterzeichnen.”
Ärgerlich riß sie ihm den Kopierstift aus der Hand, setzte sich an den Küchentisch und malte mühsam ihren Namen und die Adresse auf das Formular. Dabei gerieten ihr große und kleine Buchstaben durcheinander. Die Quittung sah folgendermaßen aus:
„Danke!” Dicki betrachtete die Unterschrift. „Warum haben Sie manchmal kleine Buchstaben geschrieben?”
„Ich bin kein Mensch der Feder”, antwortete Frau Schlimm ungeduldig. „Nimm die Quittung und scher dich fort! Zu meiner Zeit waren die Schulen noch nicht so gut wie heute, wo jeder Fünfjährige sein Alphabet kennt.”
Dicki fuhr in Gedanken versunken nach Hause. Wenn Frau Schlimm nicht einmal große und kleine Buchstaben zu unterscheiden verstand, konnte sie die anonymen Briefe nicht geschrieben haben. Eigentlich hatte er sie auch nicht ernsthaft verdächtigt. Der alte Schnüffel fiel sowieso aus, weil er nicht schreiben konnte. Fräulein Schnacks hübsche kleine Schrift aber sah so ganz anders aus als die krakligen und schiefen Buchstaben der anonymen Briefe. Dieser Fall war recht verzwickt. Anfangs hatten die Spürnasen eine Menge verdächtiger Personen auf ihrer Liste gehabt. Aber dann hatten sie einen nach dem anderen streichen müssen, und nun war überhaupt keiner mehr übrig.
Dicki war so sehr von seinen Grübeleien über das sonderbare Geheimnis in Anspruch genommen, daß er nicht auf den Weg achtgab und beinah einen Hund überfahren hätte. Vor Schreck aufheulend, sprang das Tier zur Seite. Dicki stieg ab, um es zu beruhigen.
„Was hast du mit dem Hund gemacht?” rief plötzlich eine bekannte Stimme. Er sah auf und erblickte Herrn Grimm.
„Nichts, Herr Wachtmeister”, antwortete er, ängstlich tuend. Als er jedoch ein gefährliches Licht in den Augen des Polizisten aufglimmen sah, bekam er wirklich ein wenig Angst.
Mißtrauisch musterte Herr Grimm Dickis rote Perücke und die Botenkappe. Schon wieder ein rothaariger Bengel! Das Dorf schien ja geradezu davon zu wimmeln. Er packte Dicki am Arm. „Komm mal mit! Ich möchte gern ein paar Fragen an dich stellen.”
„Ich habe doch gar nichts verbrochen”, jammerte Dicki.
„Lassen Sie mich los! Ich habe nichts Verbotenes getan.”
„Dann brauchst du dich auch nicht zu fürchten”, antwortete der Polizist und zog Dicki energisch mit sich. Er schob ihn durch seine Haustür, zerrte ihn die Treppe hinauf und stieß ihn in eine kleine Kammer, die mit allerlei Gerümpel vollgestopft war.
„Den ganzen Vormittag hab ich vergeblich nach rothaarigen Bengels gesucht”, sagte er grimmig. „Du bleibst jetzt hier, bis ich wiederkomme, um dich zu verhören. Ich habe genug von diesen rothaarigen Bengels. Sie tauchen auf und verschwinden, heben Briefe auf und geben Briefe ab. Ich habe genug davon!”
Er verschloß die Kammertür und polterte die Treppe hinunter. Dicki hörte, daß er telefonierte, konnte aber nichts verstehen. Prüfend blickte er sich um. Aus dem Fenster konnte er nicht klettern. Es ging zur Straße hinaus.
Vorübergehende würden ihn bemerken und Herrn Grimm alarmieren.
Er beschloß daher, den Weg durch die Tür zu nehmen. Das hatte er schon früher einmal getan, als er eingesperrt worden war. Ja, Dicki wußte, wie man aus einem verschlossenen Zimmer entkommen kann. Ohne zu zögern, zog er eine Zeitung aus der Tasche. Er faltete sie auseinander, strich sie glatt und schob sie durch den Spalt zwischen Tür und Fußboden. Dann steckte er ein Stück Draht in das Schlüsselloch und drehte es tastend hin und her. Bald fiel der Schlüssel, der außen in der Tür steckte, mit einem dumpfen Geräusch auf die Zeitung.
Dicki schmunzelte. Vorsichtig zog er die Zeitung in die Kammer zurück – und mit ihr den Schlüssel. Was für ein schlauer Trick! Und dabei so einfach!
Im Nu hatte Dicki die Tür aufgeschlossen. Er zog den Schlüssel heraus, schlich leise aus der Kammer und verschloß sie wieder.
Einen Augenblick blieb er oben an der Treppe stehen und lauschte. Herr Grimm
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