Geheimnis Um Mitternacht
gänzlich in violett gekleidete Frau stürmte in den Raum. Ihr Kleidungsstil war seit mindestens zehn Jahren aus der Mode. Dieser seltsame Umstand war ganz sicher kein Anzeichen für finanzielle Not, denn der Satin, aus dem ihr Kleid gefertigt war, war neu und teuer, und man sah, dass es aus der Hand einer Meisterin stammte. Vielmehr bewies die Kleidung, dass Lady Odelia Pencully rücksichtslos über alle Vorschläge ihrer Modistin hinweggetrampelt war, so wie sie es mit allem tat, was ihr nicht passte.
„Lady Odelia", sagte Francesca mit schwacher Stimme und machte mit bleiernen Füßen einige Schritte nach vorne.
„Ich ... Was für eine nette Überraschung."
Die ältere Frau ließ ein unelegantes Schnauben hören. „Kein Grund zu lügen, Mädchen. Ich weiß sehr wohl, dass Sie Angst
vor mir haben." Ihr Ton machte deutlich, dass sie das keineswegs bedauerte.
Francescas Blick wanderte von Lady Odelia zu dem Mann, der ihr durch den Gang gefolgt war. Groß und von aristokratischer Haltung war er von den Spitzen seiner rabenschwarzen Haare zu den Absätzen seiner polierten schwarzen, von Weston gefertigten Stiefel ebenso elegant wie attraktiv. Kein Haar war nicht an seinem Platz, und sein Gesichtsausdruck war höflich, aber sonst vollkommen nichtssagend, wenn Francesca auch ein Funkeln von gottlosem Amüsement in seinen dunklen Augen entdecken konnte.
„Lord Rochford", begrüßte sie ihn, ihre Stimme kühl und mit einem leicht verärgerten Unterton. „Wie freundlich von Ihnen, Ihre Tante zu einem Besuch bei mir zu begleiten."
Seine Mundwinkel zuckten ein wenig bei ihren Worten, aber seine Miene blieb weiter ausdruckslos, während er eine perfekte Verbeugung machte. „Lady Haughston. Es ist mir wie immer ein Vergnügen, Sie zu sehen."
Francesca nickte dem Dienstmädchen zu. „Danke, Emily. Wenn du uns Tee bringen würdest..."
Erleichtert verschwand das Mädchen, während Lady Odelia an Francesca vorbei zum Sofa rauschte.
Als der Duke ihr folgte, neigte Francesca sich ein wenig zu ihm und flüsterte: „Wie konnten Sie nur!"
Rochfords Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln, das aber sofort wieder verschwand, und er antwortete mit leiser Stimme: „Ich versichere Ihnen, ich hatte keine Wahl."
„Geben Sie nicht Rochford die Schuld", donnerte Lady Odelia von ihrem Platz auf dem Sofa aus. „Ich habe ihm gesagt, ich würde Sie mit oder ohne ihn besuchen. Ich vermute, er ist eher hier, in dem Versuch, mich zu mäßigen, als aus irgendeinem anderen Grund."
„Liebe Tante", antwortete der Duke. „Ich würde niemals so kühn sein, Sie in irgendeiner Weise mäßigen zu wollen."
Die alte Dame ließ ein weiteres Schnauben hören. „Dir wird wohl aufgefallen sein, dass ich 'Versuch' sagte." Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu.
„Natürlich." Rochford nickte respektvoll in ihre Richtung.
„Nun setzen Sie sich doch endlich, Kind", bellte Lady Odelia im Kommandoton in Richtung Francesca und nickte zu einem Stuhl hinüber. „Lassen Sie den Jungen nicht so lange stehen."
„Oh. Ja, natürlich." Francesca ließ sich schnell auf den nächsten Stuhl fallen.
Der Duke nahm neben seiner Großtante auf dem Sofa Platz.
Wie immer in der Gegenwart der einschüchternden Lady Pencully fühlte Francesca sich, als wäre sie wieder sechzehn. Sie bezweifelte keinen Augenblick, dass Rochfords Großtante ihr Kleid sofort als das erkannt hatte, was es war - über vier Jahre alt und in einem moderneren Stil neu zusammengenäht und dass sie zur gleichen Zeit bemerkt hatte, dass die Vorhänge ausgeblichen waren und ein Bein des Tisches an der Wand eine tiefe Kerbe aufwies.
Francesca zwang sich, Odelia anzulächeln. „Ich muss zugeben, dass ich ziemlich überrascht bin, Sie hier zu sehen.
Ich hatte gehört, dass Sie nicht mehr nach London kommen."
„Das tue ich auch nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Ich werde ganz offen mit Ihnen reden, Kind. Ich hätte nie gedacht, dass ich Sie einmal um Hilfe bitten würde. Ich habe Sie immer für ein flatterhaftes Geschöpf gehalten."
Francescas Lächeln wirkte noch steifer. „Ich verstehe."
Der Duke rutschte ein wenig auf seinem Platz hin und her. „Tante ..."
„Oh, reg dich ab", fiel ihm die alte Dame ins Wort. „Das heißt nicht, dass ich sie nicht mag. Ich mochte sie schon immer. Ich weiß auch nicht, wieso."
Rochford presste die Lippen aufeinander, um ein Lächeln zu unterdrücken, und vermied es sorgsam, Francesca anzusehen.
„Francesca weiß das",
Weitere Kostenlose Bücher