Geheimnis Um Mitternacht
und seinem Besitz sollte doch ..."
„Lord Radbourne hat nicht viel Zeit in der Gesellschaft verbracht. Ohne Zweifel ist darüber gesprochen worden", sagte Lady Odelia und fixierte Francesca mit einem ihrer durchdringenden Blicke.
„Nun ... hm ..." Francesca suchte nach einer passenden Antwort.
Die Wahrheit war, dass der Klatsch wilde Blüten getrieben hatte, was die Abwesenheit des Earls in der feinen Gesellschaft betraf. Auch wenn er schon vor einigen Monaten aufgetaucht war, hatte er doch an keinem der Feste der letzten Saison teilgenommen. Die Gerüchte erzählten von einer schrecklichen Entstellung oder einer kriminellen Vergangenheit bis hin zu komplettem Wahnsinn.
„Machen Sie sich keine Gedanken darüber, wie Sie es mir schonend beibringen sollen", fuhr Lady Odelia brüsk fort. „Glauben Sie mir, ich habe alle Geschichten gehört. Er ist weder bucklig noch verkrüppelt oder von Furunkeln bedeckt. Er ist auch nicht vollkommen verrückt. Aber die Wahrheit ist... nun, er ist... sehr gewöhnlich."
Lady Odelia sprach die Worte mit gesenkter Stimme aus, als ob sie eines der dunkelsten Geheimnisse enthüllen würde, und straffte herausfordernd die Schultern, während sie Francesca ansah und auf ihre Antwort wartete.
„Tante Odelia, urteilst du nicht ein wenig zu hart über den Mann?", protestierte Rochford. „Ich finde, dass Radbourne ziemlich viel aus sich gemacht hat, vor allem, wenn man die Umstände bedenkt."
„Natürlich. Wenn du von Geld sprichst", sagte Lady Odelia und rümpfte die Nase. „Davon hat er sehr viel." Es war deutlich, dass der finanzielle Erfolg ihres Neffen nicht ihre Billigung fand.
„Aber das zeichnet ihn kaum als Gentleman aus", fuhr sie tadelnd fort. „Die Wahrheit ist, dass seine Vergangenheit, nun, zwielichtig ist. Ich bin mir der genauen Umstände nicht bewusst - und will darüber ehrlich gesagt auch nichts wissen." Ihr stechender Blick wanderte zu Rochford und dann wieder zurück zu Francesca. „Er hat mit der schlimmsten Art Menschen gelebt, weit weg vom Einfluss seiner Familie und seiner Gesellschaftsschicht. Das Ergebnis ist, dass ihm alle Qualitäten, die einen Gentleman ausmachen, fehlen. Seine Sprache und seine Manieren sind unkultiviert, und seine Bildung lässt bedauerlicherweise sehr zu wünschen übrig."
„Gideon ist sehr belesen, Tante", widersprach Rochford, aber Lady Odelia wischte die Worte mit einer Handbewegung beiseite.
„Pah!", rief sie verächtlich. „Ich rede nicht von Büchern. Ich rede über seine Fähigkeiten bei den Dingen, die wirklich zählen. Er kann nicht tanzen, und er hat keine Ahnung, wie man höfliche Konversation macht. Und reiten kann er auch kaum." Sie machte eine Pause, um dieser erschreckenden Tatsache das nötige Gewicht zu verleihen.
„Er hat viel zu vertrauten Umgang mit der Dienerschaft und den Pächtern und sagt doch kaum ein Wort zu seiner Familie oder dem eingesessenen Landadel. Glücklicherweise haben wir auf ihn einwirken können, die meiste Zeit auf dem Land zu verbringen, aber jetzt besteht er darauf, nach London zurückzukommen."
„Er hat hier Geschäfte", warf der Duke sanft ein.
„Und was ist, wenn jemand sieht, den wir kennen, wie er seine ... Geschäfte betreibt?" Ein theatralisches Schaudern überlief Lady Odelia.
„Tante Odelia, ich denke, wenn irgendjemand einen Mann in eine Bank gehen oder sich mit einem Angestellten treffen sieht, kann man kaum etwas Schlechtes darüber sagen", protestierte Rochford, dessen Stimme langsam einen verärgerten Klang annahm. „Du wirst Lady Haughston noch glauben machen, dass er auf dem Dachboden eingesperrt werden sollte."
„Wenn ich ihn nur einsperren könnte", erwiderte Lady Odelia.
Die Augenbrauen des Duke zogen sich zusammen, und er atmete ein Mal langsam aus, bevor er zu einer Antwort ansetzte. Francesca befürchtete, dass es bald zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden hier in ihrem Salon kommen würde.
„Aber, Lady Odelia", griff sie hastig ein, „ich fürchte, dass ich immer noch nicht ganz verstehe, was ich mit der ganzen Sache zu tun habe. Wie kann ich den Earl irgend jemandem vorstellen, wenn er kein Interesse an der Gesellschaft hat?"
„Sie sollen ihr helfen, das Leben des armen Kerls nach ihren Wünschen zu arrangieren", antwortete Rochford in beißendem Ton.
Francescas Augenbrauen schossen in die Höhe, und sie sagte kühl: „Wie meinen Sie bitte?"
„Mach jetzt keine Schwierigkeiten, Sinclair", wies Lady Odelia ihn zurecht. „Es gibt
Weitere Kostenlose Bücher