Geheimnis Um Mitternacht
ausdruckslose Fassade bröckelte. Aber schließlich gelang es ihr, sich bei der anderen Frau höflich zu verabschieden und ihren Fahrer dazu zu bringen, weiterzufahren. Es war keine Sekunde zu früh.
„Oh!", rief Irene und schlug eine geballte Hand auf ihr Knie. „Dieser schreckliche, schreckliche Mann!"
„Ich entnehme dem, dass Ihre Unterhaltung mit Lord Radbourne nicht gut verlaufen ist", stellte Francesca trocken fest.
„Er ist der starrköpfigste, lästigste, selbstgefälligste, unangenehmste Mann, den ich jemals getroffen habe! Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Familie eine Frau finden kann, die willens wäre, ihn zu heiraten. Es wäre ein Leben voll..."
Francesca wartete, während Irene nach Worten suchte. Nach einem Moment fragte sie: „Voll was?"
„Ich weiß es nicht", erwiderte Irene verstimmt. „Das überfordert selbst meine Vorstellungskraft. Er wäre der schlimmste Ehemann überhaupt. Er würde immer nur fordern und fordern und einen in den Wahnsinn treiben ..."
Wieder brach sie ab und atmete frustriert auf.
„Du meine Güte", sagte Francesca sanft. „Er muss etwas wirklich Schlimmes während der Unterhaltung gesagt haben. Was war es denn?"
„Nun ...", begann Irene, hielt dann inne und fuhr schließlich fort: „Nun, es war nicht so sehr, was er gesagt hat, sondern wie er es gesagt hat. Er hat überhaupt keine Manieren. Und er hat mir - mir! - vorgeworfen, der Wahrheit abgeneigt zu sein. Es gefällt ihm, seine Grobheit hinter dem Wort .Wahrheit' zu verbergen, und er scheint zu denken, dass ich alles, was er sagt, widerspruchslos hinnehmen soll. Können Sie sich vorstellen, dass er mich bezichtigt hat, Angst zu haben, Lady Pencullys Einladung anzunehmen? Angst!"
Francesca, die das gefährliche Glitzern in Lady Irenes Augen sah, erwiderte aufrichtig: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie vor irgendetwas Angst haben."
„Natürlich nicht! Ich habe niemals ... Nun, natürlich habe ich schon Angst in meinem Leben gehabt. Wer hat das nicht. Aber ich habe es nie jemandem gezeigt! Ich habe mich niemals davon abhalten lassen, etwas zu tun, weil ich Angst davor hatte, was passieren könnte."
„Ganz sicher nicht", stimmte Francesca zu. „Aber natürlich kennt Lord Radbourne Sie nicht gut genug, um das zu wissen."
„Genau. Und doch spricht er so, als ob er wüsste, was ich denke. Was ich fühle. Es ist absurd."
„Nun, er ist nicht an höfliche Konversation gewöhnt. Ohne Zweifel ein Resultat seiner unglücklichen Erziehung."
Francescas Vermutung entlockte Irene ein unelegantes Schnauben. „Ich habe Stallburschen mit besseren Manieren getroffen. Es ist seine Persönlichkeit. Er hätte als Prinz aufwachsen können, und er würde sich immer noch wie ein Flegel benehmen."
„Dennoch denke ich, dass er wenig Probleme haben wird, eine Frau zu finden, die willens ist, sich mit seinen Manieren abzufinden", sagte Francesca. „Natürlich nicht jemanden wie Sie. Aber eine, die nicht den Mut hat, ihn daran zu hindern, sich einfach über sie hinwegzusetzen, so wie Sie es tun, würden. Oder die Klugheit und Fähigkeit, ihm beizubringen, wie man sich angemessen verhält."
„Ohne Zweifel", antwortete Irene kurz.
„Sie wird nur die Vorteile der Situation sehen, die Möglichkeiten, und keine der Gefahren und Nachteile."
Francesca blickte Irene an, während sie fortfuhr. „Zudem gibt es natürlich auch Frauen, die einem attraktiven Mann nicht widerstehen können. Seine Züge sind recht ansprechend."
„Vermutlich." Irene zuckte mit den Schultern. „Wenn man diese Art Aussehen mag. Ich finde ihn zu kräftig. Er ist so groß. Und er sieht so hart aus. Seine Wangenknochen sind zu scharf und seine Kinnlinie zu eckig für wahrhaft gutes Aussehen. Stimmen Sie mir da nicht zu?"
Francesca nickte. „Absolut. Und ich mag auch keine braunen Augen."
„Nein, seine Augen sind grün", korrigierte Irene sie. „Ich finde das seltsam, denn sein Haar und seine Brauen sind schwarz, und seine Haut ist dunkel, also würde man denken, dass seine Augen auch dunkel sein müssten. Aber sie sind tatsächlich grün. Überhaupt nicht attraktiv."
„Sie haben natürlich recht."
„Und er trägt sein Haar zu lang."
„Extrem unmodisch."
„So langes Haar würde man bei einem Raufbold erwarten, nicht bei einem Gentleman." Irene machte eine nachdenkliche Pause. „Und er hat eine Narbe am äußeren Rand seiner Augenbraue. Das schadet seinem Aussehen natürlich auch."
„Tatsächlich? Ich bin überrascht,
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