Geheimnis Um Mitternacht
ein, und Mrs. Littlebridge fügte hinzu: „Genau, Lady Wyngate, so ist der Lauf der Welt."
„Ich habe kein Interesse an derlei Betrug und Täuschungen", entgegnete Irene. „Ich möchte lieber unverheiratet bleiben, als lügen und schmeicheln zu müssen, nur um das tun zu können, wozu ich ohnehin jedes Recht habe."
Maura schnalzte mit der Zunge und sah sie mitleidig an. „Irene, meine Liebe, wir sagen nicht, dass du jemanden hintergehen sollst. Ich spreche nur davon, das Beste aus deinem Aussehen zu machen und ... gewisse Neigungen deines Charakters zu überspielen. Du ziehst dich viel zu einfach an." Ihre Hand flatterte abfällig in Irenes Richtung.
„Zum Beispiel das Kleid, das du trägst. Warum muss es in diesem langweiligen Braun sein? Und es ist nicht nötig, dass du ein so hoch geschlossenes Kleid trägst. Warum zeigst du nicht ein bisschen von deinen Schultern und Armen? Selbst deine Abendkleider haben so ein strenges Aussehen. Kein Wunder, dass Männer dich so selten zum Tanzen auffordern! Ist es nicht schlimm genug, dass du so groß bist? Musst du so kerzengerade stehen und deinen Körper ganz verhüllen?"
Irene spürte die Enttäuschung in Mauras zuckersüßem Ton. Sie wusste, dass ihre Schwägerin es zwar sehr genoss, unter dem Deckmantel hilfreicher Hinweise über Irenes Fehler zu spotten, andererseits aber sehr verärgert über Irenes Mangel an Verehrern war. Maura würde sie zu gerne loswerden, und eine Heirat bot die einzige Möglichkeit
- außer Mord. Doch selbst Irene konnte Maura nicht unterstellen, zu so etwas fähig zu sein. Denn wie sehr Humphrey auch unter der Fuchtel seiner Frau stand, so musste selbst Maura klar sein, dass er niemals zustimmen würde, seine eigene Schwester des Hauses zu verweisen. Zudem wusste sie, dass ihr ein solch hartherziges Verhalten der Schwägerin gegenüber die Missbilligung des Ton einbringen würde. Nein, solange Irene ledig blieb, musste Maura sie ertragen - eine Tatsache, die sie ohne Zweifel genauso störte wie Irene selbst.
„Und dein Haar!", fuhr Maura unerbittlich fort. „Es ist ein wenig ... unbändig." Sie runzelte die Stirn, als sie Irenes Fülle an goldenen Locken betrachtete, die in einen strengen Knoten zurückgesteckt worden waren. „Aber die Farbe ist tatsächlich recht hübsch. Und deine Wimpern sind lang und glücklicherweise braun, nicht hell, sodass du nicht diesen nackten Ausdruck hast, den man bei manchen blonden Frauen sieht."
„Oh, danke, Maura", murmelte Irene trocken. „Deine Komplimente überwältigen mich."
Maura zuckte die Schultern. „Ich sage nur, dass du dich sehr leicht etwas vorteilhafter zurechtmachen könntest, wenn du dir nur ein bisschen Mühe geben würdest. Man könnte fast meinen, dass du absichtlich versuchst, die Männer abzuschrecken."
„Vielleicht tue ich das ja auch."
Es folgte ein Moment überraschter Stille. Dann kam von Miss Cantwell ein nervöses Lachen. „Lady Irene! Das klingt beinahe so, als ob Sie das ernst meinen."
Irene machte sich nicht die Mühe, auf diese Bemerkung zu reagieren. Miss Cantwell würde genauso wenig wie eine der anderen Frauen jemals verstehen, dass sie wirklich nicht heiraten wollte. So wie sie es sahen, war die Ehe der einzige Sinn im Leben einer Frau. Die Jagd nach einem Ehemann war für eine Frau das Hauptziel bei ihrer Einführung in die Gesellschaft - und danach das jeder Saison, bis sie endlich einen eingefangen hatte.
Heiratswütige Mütter entwarfen wie kriegserprobte Generäle Schlachtpläne für ihre Töchter. Scharmützel wurden auf den Schlachtfeldern der Ballsäle, Opernlogen und Fahrten in offenen Wagen im Hyde Park ausgetragen, und die Waffen der Wahl waren Kleider, Locken, flirtende Blicke über den Fächer hinweg und - die tödlichste von allen - Klatsch. Der Sieg bestand darin, einen wünschenswerten Junggesellen einzufangen, und nur wenige machten sich Gedanken über die Jahre, die vor ihnen lagen, nachdem der so sehr begehrte Ring an ihrem Finger steckte.
Ohne Zweifel befanden sich Miss Cantwell und ihre Mutter gerade inmitten dieses lebenswichtigen Kampfgeschehens. Vermutlich nahmen sie an, dass jeder Protest von Irenes Seite nur vorgeschoben war, da sie selbst die Schlacht verloren hatte - eine fünfundzwanzigjährige alte Jungfer mit der einzigen Aussicht, den Rest ihres Lebens im Schoß ihrer Familie zu verbringen.
Irene seufzte. Sie neidete Miss Cantwell die Ehe, auf die sie so sehr hoffte, nicht. Aber sie wünschte, sie könnte mit mehr
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