Geheimnis Um Mitternacht
Witwe besser dran ist."
Sie gingen weiter. Irene war sich der Stille um sie herum und Gideons Anwesenheit neben ihr bewusst.
„Seltsam, nicht wahr?", meinte Gideon. „Sie hat für sich nicht das erreicht, was ihr bei anderen offensichtlich so gut gelingt."
„Ich glaube, es ist einfacher, klar zu sehen, wenn man nicht persönlich involviert ist", vermutete Irene.
„Oder vielleicht hat sie aus ihren eigenen Fehlern gelernt." Gideon sah sie aufmerksam an. „Es scheint, dass Damen häufig nicht die Gelegenheit ergreifen, ihre finanzielle Unabhängigkeit zu sichern, wenn sie heiraten."
„Es sind zu häufig gutes Aussehen und schmeichelnde Worte, die sie beeinflussen. So war es bei meiner Mutter.
Vielleicht war es bei Francesca genauso. Lord Haughston war ein attraktiver Mann. Verlangen kann einen die eigenen Interessen vergessen lassen."
Sie warf einen Seitenblick zu Gideon und erinnerte sich daran, wie ihr eigenes Verlangen sie auf Abwege führte und sie lockte, genau den Fehler zu machen, den sie geschworen hatte, nicht zu begehen. Er bemerkte ihren Blick, und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
Dann blieb er stehen, drehte sich zu ihr und nahm ihre Hände in die seinen. „Verlangen", sagte er ihr sanft, „muss kein Fehler sein. Man kann die weisesten Entscheidungen treffen und trotzdem den Pfad beschreiten, auf den die Leidenschaft einen führt."
„Ich bin mir nicht sicher, dass man dann eine ungetrübte Sicht auf die Dinge haben kann", erwiderte Irene.
„Gefühle und ..." Sie räusperte sich und wandte den Blick ab, denn sie fand es schwierig zu sprechen, während sie in die dunklen Tiefen seiner Augen sah. „Gefühle und sinnliche Eindrücke können es einem schwer machen zu denken und den richtigen Weg für sich zu finden."
Gideon hob ihre Hand und drückte sanft seine Lippen gegen ihren Handrücken. „Irene ... ich glaube, dass in diesem Fall Ihre 'sinnlichen Eindrücke' Ihnen sehr wohl ein ungetrübtes Bild davon vermitteln, was diese Ehe sein könnte.
Sie müssen sich nur erlauben, daran zu glauben."
Er drehte ihre Hand und hauchte einen weiteren Kuss in ihre Handfläche. Sie fühlte das Zittern ihrer Finger - und wie es sich heimtückisch durch ihren ganzen Körper ausbreitete. Sie sah auf seinen Kopf hinab, über ihre Hand gebeugt, um seinen Mund auf ihre Haut zu pressen. Sein Haar strich über ihr Handgelenk.
Hatte sie ihn schon immer so attraktiv gefunden? Waren auch bei ihrem ersten Treffen schon alle Männer neben ihm verblasst, so wie jetzt? Sie konnte sich an keinen anderen Mann erinnern, dessen Blick sie so gefesselt hatte, wie es der seine tat, oder dessen Lächeln sie mit solcher Freude erwartet hatte. Wann und warum hatte ihr Herz begonnen, wie wild zu schlagen, wann immer sie ihn sah?
Sie war ihm aus dem Weg gegangen, damit er sie nicht wieder küssen würde, wie an dem einen Nachmittag. Und doch brauchte es nach all den Tagen nur einen Blick von ihm, ein Lächeln, einen Kuss auf ihre Hand, und sie fühlte sich wieder, als ob ihre Knie unter ihr nachgeben würden, spürte das Aufflammen der Hitze, das tief in ihrem Unterleib begann.
Es war erschreckend, so wenig Kontrolle über sich zu haben, furchterregend zu wissen, dass jemand sie so mühelos beeinflussen konnte, so schnell hinter ihre Schutzmauern schlüpfte. Und doch ... und doch ...
Was, fragte sie sich, war schlecht daran, einen Ehemann zu haben, der solche Empfindungen in ihr wecken konnte?
War das, was sie fühlte, die Torheit von Frauen wie Francesca und ihre Mutter, die die Männer geheiratet hatten, die sie wollten, und es später bereuen müssten? Oder war dies nur ein weiterer Vorteil einer Vernunftehe - etwas, das ein ohnehin vernünftiges Vorgehen nur noch weiter versüßte?
Gideon hob seinen Kopf und sah ihr in die Augen. Sie fragte sich, ob er die Gedanken sehen konnte, die in ihrem Kopf tanzten. Sicher ahnte er wohl, dass er sie verwirrte. Selbst durch die Hitze, die in seinen Augen brannte, konnte sie eine Spur männlicher Befriedigung in ihnen erkennen.
Er trat näher, sein Körper nur noch Zentimeter von dem ihren entfernt. Immer noch hielt er ihre Hand, zog sie an sein Gesicht und legte sie gegen seine Wange. Sie fühlte die plötzliche Wärme, die Glätte seiner Haut, die rauen, dunklen Bartstoppeln. Sie stellte sich vor, seine Wange an der ihren zu fühlen, seinen Mund gegen ihre Lippen gepresst.
Sie erinnerte sich daran, wie seine Hände an dem Nachmittag nach der Tanzstunde über ihren
Weitere Kostenlose Bücher