Geheimnis Um Mitternacht
einer anderen Frau gekommen, giftig gewesen wäre, aber bei ihr eher gequält als kämpferisch wirkte. „Lady Irene ... es ist wirklich ..." Sie wandte den Kopf zu Gideon, der ihr die Antwort aber offensichtlich auch nicht ersparen wollte. „Ich ... ich bin mir nicht sicher, wo der Kammerdiener hingezogen ist. Wirklich, Gideon, es hat wenig Sinn, ihn aufzusuchen." Ihr Gesicht nahm einen flehentlichen Ausdruck an. „Es wäre besser, wenn du die ganze Sache ... ruhen lassen würdest."
Gideon sah sie für einen langen Moment an. „Nein, das glaube ich nicht. Es tut mir leid, wenn es dich quält, Großmutter, aber ich würde gerne mit dem Mann sprechen. Du sagtest, sein Name ist Owenby?"
„Bitte, Gideon ..." Pansy schien den Tränen nahe. „Was willst du damit erreichen? Owenby erinnert sich vermutlich gar nicht mehr daran. Es ist so lange her."
„Hör auf, dich so dumm zu stellen, Pansy", sagte Lady Odelia unverblümt. „Als ob er vergessen würde, durch das ganze Land geritten zu sein und nach einer Bande von Entführern gesucht zu haben!"
„Odelia!" Pansy sah von ihr zu Gideon hinüber. „Bitte, können wir nicht über etwas Erfreulicheres reden?"
Gideons Ausdruck wurde härter. „Warum willst du nicht darüber sprechen? Möchtest du nicht, dass ich die Wahrheit erfahre? Hast du Angst, dass ich herausfinde, wie egal es meinem Vater war? Wie wenig Interesse er daran hatte, mich zu finden?"
„Nein!", rief Pansy. „Es war ihm nicht egal! Er war am Boden zerstört! Du musst nicht denken, dass du deinem Vater gleichgültig warst. Er war in so schlechter Verfassung... Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der so erschüttert war. Sie hatte seine Trauer nicht verdient!"
Gideon erstarrte. Die Luft war plötzlich von einer unheilvollen Stille erfüllt.
„Wie bitte?", fragte Gideon schließlich. „Was meinst du mit: ,Sie hatte seine Trauer nicht verdient'? Sprichst du von meiner Mutter?"
„Nein! Ich wollte nicht..." Pansy warf einen panischen Blick durch den Raum.
„Pansy!" Lady Odelias Stimme klang scharf und gebieterisch. „Rede nicht länger um den heißen Brei herum. Sag jetzt sofort, was du damit gemeint hast."
Pansy sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen, aber schließlich reckte sie die Schultern. „Vergib mir, Cecil", murmelte sie mit einem schnellen Blick gen Himmel und fügte dann mit festerer Stimme hinzu: „Aber ich weigere mich, dich glauben zu lassen, dass dein Vater sich keine Sorgen um dich gemacht hat, Gideon. Es war Selene, die dich von deinem Vater und deiner Familie getrennt hat."
Ihrer Aussage folgte ein Chor erstaunter Stimmen. „Wie bitte?"
Leicht trotzig hob Pansy das Kinn. „Du wurdest nicht entführt, Gideon. Deine Mutter ist mit ihrem Liebhaber durchgebrannt und hat dich mitgenommen."
Für einen langen Moment sprach niemand. Alle waren zu schockiert, um irgendetwas sagen zu können. Irene warf Gideon, der blass geworden war und seine Großmutter anstarrte, einen besorgten Blick zu.
Nicht überraschend war es Lady Odelia, die als Erste sprach. „Bist du verrückt geworden? Pansy!"
„Nein. Ich bin nicht verrückt", erwiderte Pansy. Ihre Stimme war zu einem so leisen Flüstern geworden, dass es schwierig war, überhaupt zu verstehen, was sie sagte. „Es ist die Wahrheit."
„Nein! Das kann nicht sein!", jammerte Lady Teresa. „Sie wurde entführt. Jeder weiß das. Sie ist vor Jahren gestorben!"
„Soll das heißen, dass Cecil alle belogen hat?", wollte Lady Odelia von ihrer Schwester wissen. „Dass du gelogen hast?"
Pansy nickte, und plötzlich traten Tränen in ihre Augen und liefen ihr die Wangen herunter. „Ja. Ja. Wir haben gelogen. Wir haben alle belogen."
Wie in einem vergeblichen Versuch, ihre Worte aufzuhalten, presste sie die Hand gegen ihren Mund.
„Nein, nein", stöhnte Lady Teresa und schüttelte den Kopf.
„Aber warum?", fragte Irene, die nicht länger still bleiben konnte. Das Herz zog sich ihr in der Brust zusammen, wenn sie daran dachte, was jetzt in Gideon vorgehen musste. Als der Duke ihn vor wenigen Monaten gefunden hatte, war seine ganze Welt auf den Kopf gestellt worden. Nun war sie schon wieder in Aufruhr geraten. „Warum haben Sie vorgegeben, sie wären entführt worden?"
„Weil Cecil es nicht ertragen konnte, dass jemand die Wahrheit erfuhr!", rief Pansy. „Der Skandal..."
„Er hat gelogen, um einen Skandal zu verhindern?", fragte Irene entsetzt.
„Nicht für sich selbst!", schluchzte Pansy. „Für sie! Er tat
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