Geheimnis von St. Andrews
sich dann wieder auf dem Außengerüst ans Werk.
Am liebsten hätte Cherry Marks Verschwinden der Polizei gemeldet. Aber wenn es keine Hinweise auf eine Straftat gab, würden die Beamten nichts unternehmen. Das hatte Cherry zumindest einmal gehört.
Bisher hatte Cherry Marks Exfreundin keinen Mord zugetraut. Aber inzwischen war sie sich nicht mehr so sicher. Jennys Charakter gab ihr immer wieder Rätsel auf. Cherry selbst hätte tot sein können, wenn der von Jenny gelockerte Balken sie nicht um Haaresbreite verfehlt hätte.
Und was war mit Amber Page? Mark hatte beteuert, diese Frau nicht gekannt zu haben. Das konnte ja auch stimmen. Aber offensichtlich war Jenny verrückt genug, um in jeder jungen Frau, die sich in seiner Nähe aufhielt, eine Konkurrentin zu vermuten. Und Amber war in Marks Nähe gewesen, und zwar an seinem momentanen Arbeitsplatz in der Kirche. Das Foto auf der Homepage belegte, dass sie vor dem Altar gestanden hatte. Allein diese räumliche Nähe reichte vielleicht schon aus, um Amber in den Augen der durchgedrehten Jenny auf ihre Todesliste zu setzen.
Cherry erschrak, als plötzlich ihr Handy klingelte. Ihre Hände zitterten, als sie den Anruf entgegennahm. Sergeant Murdoch war am Apparat.
„Miss Wynn? Ich habe eine gute Nachricht für Sie. Wir konnten Jenny Read vor wenigen Minuten verhaften. Wir bringen sie zunächst in den Gewahrsam. Über ihr weiteres Schicksal wird der Haftrichter entscheiden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so schnell wieder auf freien Fuß kommt.“
Cherry fiel ein Stein vom Herzen, als sie die Neuigkeiten erfuhr. Aber ihr lag auch eine drängende Frage auf der Zunge: „War jemand bei ihr, als Sie Jenny erwischt haben?“
„Nein, sie war allein. Auf Officer Hickey und mich machte sie einen verwirrten Eindruck. Sie schien im Freien übernachtet zu haben und am Ende ihrer Kräfte zu sein. Die Beschuldigte hat noch einen Fluchtversuch unternommen, ist dann aber in einer Brombeerhecke gelandet. Dann war es kein Problem mehr, sie festzunehmen. Jenny Read hat bereits einiges zugegeben, auch Dinge, von denen ich noch gar nichts wusste. Sie faselte etwas von einem Pentagramm, das sie irgendwohin gekritzelt hat. Wissen Sie etwas davon?“
„Ja, dieses Zeichen wurde auf meine Reisetasche gemalt. Und dafür war also auch Jenny Read verantwortlich?“
„Es sieht ganz so aus, Miss Wynn. Wir werden die junge Dame auf der Wache gründlich vernehmen. Sollte ich weitere Fragen haben, wende ich mich noch einmal an Sie. Auf jeden Fall müssen Sie sich vorerst keine Sorgen mehr machen, von dieser Frau verfolgt zu werden.“
„Das ist gut. Vielen Dank, Sergeant Murdoch.“
Cherry war wirklich erleichtert, als sie das Gespräch beendete – aber nur teilweise. Nun wusste sie wenigstens, dass Jenny auch für das magische Symbol auf ihrem Gepäck verantwortlich war. Offenbar hatte Marks eifersüchtige Ex auf diese Art versucht, Cherry zu vergraulen. Aber die Sache mit dem Pentagramm auf ihrer Reisetasche war im Vergleich zu Marks Verschwinden völlig unwichtig.
Wenn Jenny ihren Exfreund nun wirklich umgebracht hatte?
Diese Befürchtung konnte Cherry nicht verdrängen, obwohl es nicht den geringsten Beweis dafür gab. Jenny befand sich nun in den Händen der Polizei. Cherry musste auf die Erfahrung der Beamten vertrauen – und darauf, dass Jenny ein umfassendes Geständnis ablegen würde.
Cherry wusste nicht, was sie tun sollte. Vielleicht war Mark in Gefahr und brauchte dringend ihre Hilfe. Es kam ihr vor, als würde sie im Nebel stochern. Vielleicht befand sich die Lösung des Rätsels ja wirklich in der Krypta? Doch solange Blackburn diesen Ort wie ein Höllenhund bewachte, konnte sie sich dort unten nicht in Ruhe umschauen. Deshalb blieb ihr einstweilen nichts anderes übrig, als am Beichtstuhl weiterzuarbeiten.
Doch plötzlich wurde die eintönige Tätigkeit interessanter.
Unter der dicken Lackschicht kamen eingeritzte Buchstaben zum Vorschein. Offensichtlich hatte jemand hier in einem vergangenen Jahrhundert mit einem spitzen Gegenstand Worte ins Holz geschnitzt, die unter der dicken Lackschicht verborgen gewesen waren. Cherry hätte am liebsten sofort Blackburn gerufen, um ihm ihre Entdeckung zu zeigen. Doch das tat sie nicht. Stattdessen konzentrierte sie sich ganz darauf, die Botschaft freizulegen. Die Aufregung und die Anspannung trieben ihr den Schweiß auf die Stirn. Sie arbeitete sorgfältig, um die ins Holz geritzte Botschaft nicht zu
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