Geheimnis von St. Andrews
gemeinsam mit Jenny aus dem Staub gemacht? Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Typ erneut mit seiner Ex einließ. Cherry erinnerte sich an die Worte, mit denen ihre Rivalin gedroht hatte: Mark liebt mich nämlich immer noch, und er gehört zu mir. Das wirst du schon sehen!
Marks Verschwinden passte zu dieser düsteren Vorwarnung. Jenny hatte sich unbedingt noch an Cherry rächen wollen, bevor sie sich mit Mark absetzte. Wahrscheinlich waren die beiden schon über alle Berge.
Cherry schüttelte den Kopf, als wollte sie einen bösen Traum vertreiben. Hatte sie denn überhaupt kein Vertrauen in ihre eigenen Gefühle? Sie war in der vergangenen Nacht felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Mark sie liebte. Warum sollte sich daran etwas geändert haben? Vielleicht gab es ja auch eine ganz andere Erklärung für Marks Abwesenheit. Momentan fiel ihr zwar keine Möglichkeit ein, aber sie hatte ja mit ihren Nachforschungen noch nicht einmal angefangen.
Zum Glück war Cherry auf dem Weg nach St. Andrews an einer Tankstelle vorbeigekommen und hatte sich ein Prepaid-Guthaben geholt. Nachdem sie es auf ihr Handy geladen hatte, konnte sie das Telefon wieder einsetzen. Sie warf einen Blick über die Schulter in Richtung Krypta. Dorthin war Blackburn vor einigen Minuten verschwunden. Erfahrungsgemäß würde er nicht so schnell wieder erscheinen. Daher konnte sie jetzt in Ruhe während der Arbeitszeit telefonieren.
Zunächst rief sie Mark an. Doch sein Handy war abgeschaltet. Eigentlich hatte sie nichts anderes erwartet. Vermutlich hatte auch Blackburn schon versucht, ihn zu erreichen. Doch so schnell gab sie nicht auf. Sie besaß ein internetfähiges Handy und konnte deshalb in einem Online-Telefonbuch die Festnetznummer seiner Eltern erfahren. Sie versuchte dort ihr Glück. Marks Mom war am Apparat.
„Mark? Der ist heute Morgen pünktlich zur Arbeit gegangen. Ich wundere mich, dass er dort nicht angekommen ist. Mr Blackburn hat vorhin auch schon angerufen. Meinem Sohn wird doch nichts passiert sein?“
Nun bedauerte Cherry, überhaupt angerufen zu haben. Marks Mom klang schon besorgt genug. Und sie hörte sich nicht so an, als ob sie vor Cherry etwa verheimlichen würde.
„Es gibt bestimmt eine ganz harmlose Erklärung, Mrs Gilmore. Wirkte Mark in letzter Zeit verändert?“
Als Cherry diese Frage gestellt hatte, herrschte einige Augenblicke lang Schweigen in der Leitung. Cherry war verunsichert. Ob sie nachhaken sollte? Aber da erklang auch schon wieder die Stimme von Marks Mutter.
„Ja, Mark war anders. Er schien irgendwie im siebten Himmel zu schweben. Ich weiß nicht, ob ich dir das weitererzählen soll. Ich darf dich doch duzen, oder?“
„Kein Problem, Mrs Gilmore. Was wollten Sie mir denn sagen?“
„Du bist doch Cherry Wynn, oder? Das habe ich vorhin also richtig verstanden. Jedenfalls habe ich Mark direkt gefragt, was mit ihm los wäre. Wir reden in unserer Familie offen über alle Probleme, musst du wissen. Aber Mark sagte, er würde nicht in Schwierigkeiten stecken. Ganz im Gegenteil. Er hätte sich nämlich Hals über Kopf verliebt, und zwar in dich.“
Cherry wurde ganz warm ums Herz, als sie diese Worte hörte. Zwar kannte sie Marks Mutter nur vom Telefon, doch ihre Stimme klang ehrlich und sympathisch. Cherry konnte sich nicht vorstellen, dass Mrs Gilmore sie hinters Licht führen wollte. Und wenn Mark sich sogar schon seiner Mutter anvertraute, dann waren seine Gefühle für Cherry echt und aufrichtig.
Aber wenn er nicht mit Jenny durchgebrannt war, musste ihm etwas zugestoßen sein. Cherry wurde von einer neuen Befürchtung gepackt. Wenn Jenny nun Mark getötet hatte, um ihn niemals mit einer anderen Frau teilen zu müssen? So etwas war dieser Psychopathin durchaus zuzutrauen. Aber bevor sie sich und andere rebellisch machte, wollte Cherry nicht vom Schlimmsten ausgehen.
„Ich finde Ihren Sohn auch ganz toll, Mrs Gilmore. Bestimmt kommt er bald zurück, und es gibt eine ganz harmlose Erklärung für seine Abwesenheit. Könnten Sie mich bitte anrufen, wenn Sie etwas von ihm hören?“
Marks Mom erklärte sich dazu bereit, und Cherry gab der Frau ihre Handynummer. Dann beendete sie das Gespräch. Was nun? Mechanisch machte sie mit der Schmirgelei weiter. Wenig später traf Lonnegan ein. Sie fragte natürlich auch ihn nach Mark. Aber der mundfaule Arbeiter hatte angeblich ebenfalls keine Spur von dem Verschwundenen gesehen. Er lud nur das Material ab, das er gekauft hatte, und machte
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