Geheimnisse der Lebenskraft Chi
Chi-Gong-Meister, die einfach nur sehr überzeugende Schwindler seien.
Ich frage ihn, ob man Dinge magnetisieren könne, wie Mesmer behauptete, und er bejaht. Ich erzähle ihm noch, dass die Patienten in Mesmers Krankenstation von magnetisierten Tellern aßen, magnetisierte Kleidung trugen, magnetisierte Bücher lasen und magnetisiertes Wasser tranken. Dr. Chow lacht frei heraus, und mir kommt der Gedanke, dass er wohl nur zu gut weiß, worum es dabei geht. Denn ist nicht der Stuhl, auf dem ich sitze, mit Chi gesättigt? Ist es nicht auch der Tisch, auf den ich die Ellbogen stütze? Und die Luft, die ich hier im Sprechzimmer atme, ist sie nicht voller Chi? Dazu fällt mir der ältere Herr ein, der beim Betreten des Wartezimmers - des Wartezimmers! - zu weinen anfing. Er sagte, er reagiere sehr sensibel auf Energie, und die Energie in diesem Wartezimmer sei einfach überwältigend.
Mesmer glaubte, wie ich Dr. Chow weiter erzähle, dass die universale Energie nicht nur mitteilbar ist, sondern durch Klänge verstärkt und übertragen werden kann, dass sie gespeichert,
konzentriert und transportiert werden kann, ja sogar durch Spiegel intensiviert und wie Licht reflektiert wird. Dr. Chow hört sich das alles an und nickt immer wieder zustimmend.
Dann erzähle ich von der Erfindung, die Mesmer Ruhm und Gelächter in ganz Europa eintrug, dem Baquet, einem sehr umfangreichen Zuber von ungefähr einem halben Meter Höhe. Dr. Chow reicht mir Papier und einen Bleistift und möchte einen Baquet gezeichnet haben. Ich skizziere also einen breiten wannenartigen Kübel, dessen Boden mit einer Schicht aus pulverisiertem und mit Eisenfeilspänen bestreutem Glas bedeckt ist. Die zweite Schicht besteht aus mit Wasser gefüllten Flaschen. Dazu erläutere ich, dass Mesmer das zerstoßene Glas, die Eisenfeilspäne und das Wasser in den Flaschen magnetisierte. Manchmal füllte er auch einfach den ganzen Zuber mit magnetisiertem Wasser. Zum Abschluss male ich dem Baquet einen Deckel mit etlichen Löchern rings um den Rand, aus denen rechtwinklig nach außen gebogene Eisenstangen ragen. Diese Eisenstangen, durch die die Heilenergie floss, fassten die Patienten mit den Händen. Dr. Chow schüttelt den Kopf über diesen schier überbordenden Erfindungsreichtum.
Weiter berichte ich ihm von dem berühmten Baum auf Mesmers Grundstück, der gelegentlich zum Zentrum seiner Heilzeremonien wurde. Um was für einen Baum es sich handelte, ist nicht bekannt, aber es hieß, er behalte seine Blätter bis zum Winteranfang und treibe im sehr zeitigen Frühjahr vor allen anderen Bäumen der Gegend wieder aus. Dr. Chow verfolgt alles sehr engagiert und lächelt, scheint aber nichts dazu sagen zu wollen, und so frage ich ihn ganz direkt, ob ein Chi-Gong-Meister
Energie auf einen Baum übertragen könne, um ihn zu einer Art Chi-Gießkanne für seine Patienten zu machen.
Dr. Chow kommt sofort zum Wesentlichen. Er rückt nach vorn auf die Stuhlkante und spricht schnell: Jeder Baum, sagt er, gibt eine gewisse Menge Chi ab, und ein Kranker wird immer einen gewissen Nutzen davon haben. Wenn der Meister dem Baum, mit dem der Patient verbunden ist, Chi sendet, wird dieser Patient tatsächlich einen Energieschub empfangen. Und würde der Meister das öfter tun, würde man es dem Baum und den Pflanzen in der Umgebung bald ansehen. Hierbei, fährt Dr. Chow fort, sei jedoch einiges zu bedenken.Wenn wir von dem Fall ausgehen, dass der Meister zugegen ist, während der Patient am Baum steht, könne es auch sein, dass er dem Patienten direkt Chi zukommen lässt oder gar kein Chi aussendet, weder zum Patienten noch zum Baum. Wenn der Meister stark genug ist, empfängt der Patient sein Chi vielleicht einfach dadurch, dass er sich in seinem Energiefeld aufhält. Oder es könnte sein, dass der Patient sehr suggestibel und letztlich selbst für die Heilung verantwortlich ist - eine Art Placeboeffekt. Und schließlich wäre denkbar, dass der Patient einfach falsch berichtet, weil er an die Wirksamkeit einer in Wahrheit unwirksamen Behandlung glauben oder dem Meister eine Freude machen möchte.
Als ich die Praxis später verlasse, beschäftigt mich der Gedanke, dass Dr. Chows detaillierte Antworten doch eigentlich einen wissenschaftlichen Geist erkennen lassen. Wie mag es wohl hinsichtlich des Chi um meine eigene Selbstwahrnehmung bestellt sein? Habe ich je die Resultate meiner Praxis beschönigt, um dem Doktor etwas Erfreuliches sagen zu können, habe ich mir Wirkungen
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