Geheimnisse der Lebenskraft Chi
Schlaf zurück. Als sie spricht, ist ihr anzusehen, dass sie vollkommen von der Realität des Geschehens überzeugt ist, es war kein Traum. Ich frage, wie es ihrem Knie gehe.Viel besser, sagt sie.
Später sitze ich mit Dr. Chow in seinem Sprechzimmer. Er fragt mich, was ich am vergangenen Abend gemacht habe. Ich
hätte Schach gespielt, sage ich. Sein Gesicht kommt näher, sein Finger klopft einen milden Tadel auf die Tischplatte. Schach, sagt er, kostet Energie. Und wenn man gut Schach spiele, koste es besonders viel Energie. Ich beruhige ihn und sage, dass ich nur mittelmäßig spiele - aber was er denn gestern Abend gemacht habe. Er setzt die Unschuldsmiene auf, und ich muss meine Frage wiederholen.
»Peters Schlafzimmer besucht«, sagt er schließlich, »aber Peter nicht da.« Und dann mit einem Lächeln: »Also stattdessen Jenifer Chi geben.«
Nach normalem wissenschaftlichen Verständnis sind außerkörperliche Erfahrungen nichts weiter als ein Wahrnehmungsfehler des Gehirns. Dagegen stehen jedoch Tausende von persönlichen Berichten, die Untersuchungen einiger Parapsychologen und die Darstellungen, die wir in der religiösen und okkulten Literatur finden. Sollte eines Tages bewiesen werden, dass Menschen tatsächlich ihren Körper verlassen können, wird die derzeit gängige Wissenschaft vor einem Paradigmenwechsel stehen. Nun ist das Verlassen des Körpers eine Sache. Aber den Astralkörper an einen bestimmten Ort projizieren und dort Chi aussenden lassen? Das wird wohl noch längere Zeit Science-Fiction bleiben. Oder vielleicht nicht?
Es ist ein herrlicher Tag, und ich tappe im Park barfuß durch das Gras. Ich lasse dem Gedanken der astralen Energieübertragung freien Lauf, bis mir vor lauter Hochstimmung der Kopf schwirrt, mein Denken endlich von all den Absonderlichkeiten lässt und meine Augen im Laub der Bäume nur noch spielerisch von Blatt zu Blatt wandern.
Die im sichtbaren Körper wirkenden unsichtbaren Kräfte
können von der Vorstellungsgabe geleitet und vom
Willen beflügelt werden.
Franz Anton Mesmer
DER FASZINIERENDE DR. MESMER
Chi-Gong-Meister,Yogis, Zauberer, Schamanen - ich möchte mehr über ihre Erfahrungen wissen, um meine eigenen zu verstehen. Während meine Chi-Gong-Lehre ihren Lauf nimmt, beginnt nun parallel eine Phase intensiver Lektüre. Vielleicht, sage ich mir auch, bringe ich etwas in Erfahrung, das mir bei der großen Prüfung zunutze kommt. Dr. Chow hat die große Prüfung schon eine ganze Weile nicht mehr erwähnt, und ich schneide das Thema auch nicht mehr an. Ich wiege mich in der vagen Hoffnung, dass er sie vergessen hat.
Ich sitze im Wartezimmer und lese Zen in der Kunst des Bogenschießens , als Dr. Chow näher kommt und mich fragt, um was es in der Geschichte geht. Ich erzähle ihm vom autobiografischen Charakter dieses Buchs eines deutschen Universitätsprofessors namens Eugen Herrigel, der Schüler eines Bogenmeisters in Japan wurde. Dieser Meister, ein Zen-Mönch, unterwies Herrigel in einer Atemtechnik, die spirituelle Kraft in dessen Armen und Beinen fließen ließ. Aufgrund dieser Kraft, bei der es sich um Chi (nach japanischer Lesart Ki) handelte,
vermochte Herrigel den großen Bogen zu spannen und wurde selbst ein Bogenschütze.
Die Geschichte begeistert Dr. Chow, und ich bringe von jetzt an weitere Bücher mit in die Praxis, von denen ich glaube, dass er gern mit mir darüber sprechen wird. Die kleinen Überblicke, die ich ihm dabei gebe, fördern auch seine philosophische Ader, und so wachsen sich unsere Abendgespräche in der Praxis zum philosophischen Teil unserer Beziehung aus. Einmal sprechen wir über zwei französische Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts - Henri Bergson und Maurice Merleau-Ponty -, deren Gedanken über den Körper Anklänge an das Meridiansystem aufweisen. Dr. Chow wendet ein, dass beide nicht in der Kunst des Aufbaus ihrer eigenen Lebenskraft bewandert waren und nur andeutungsweise erfassten, was die Lebensenergie alles vermag. An einem anderen Abend sprechen wir über Wilhelm Reich und seine Orgon-Energie. Ja, gibt Dr. Chow zu, da besteht eine erstaunliche Übereinstimmung mit dem Chi. Mesmer, der Arzt vom Bodensee, fasziniert ihn jedoch unter all den Gestalten, die wir betrachten, am meisten.
Der 1734 geborene Mesmer brachte es in Wien zu hohem Ansehen als Arzt, bevor er sich in der dortigen Medizin unmöglich machte, als er öffentlich erklärte, man könne mit Magneten heilen. Einige Jahre darauf, inzwischen
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