Geheimnisse der Lebenskraft Chi
zweiunddreißig, erkannte er das heilmagnetische Potenzial seines eigenen Körpers und verschenkte seine Magneten. Von jetzt an begann er seinen Patienten die eigene, von ihm Fluidum genannte Lebensenergie zu übertragen. Mesmer, der heute als der Vater der Hypnose gilt, wurde in vielem missverstanden. Heutige Psychologen, die sich für sein Werk interessieren, neigen
meist zu der Anschauung, sein erstaunlicher Rapport mit seinen Patienten habe dazu geführt, dass er sie unwissentlich hypnotisierte - eben mesmerisierte. Anders gesagt, seine Patienten heilten sich selbst aufgrund eines Placeboeffekts - so jedenfalls die Theorie.
Die Kraft der Suggestion war Mesmer nur allzu bewusst. Er wusste, dass der Erfolg seiner Behandlungen durch sein überzeugendes Auftreten und die Geborgenheit der Praxisatmosphäre mitbedingt war.
Als das Wichtigste, und davon wich er nie ab, betrachtete er jedoch die Übertragung der Lebenskraft. Übernatürliche Kräfte maßte er sich nie an und war stets darauf bedacht, solche Vorstellungen zu zerstreuen. Immer wieder stellte er heraus, er habe lediglich gelernt, die universale Energie nutzbar zu machen, und jeder sei dazu nach einer entsprechenden Ausbildung in der Lage. Deshalb bildete er auch selbst Leute aus, die sein Werk später fortführen sollten.
Dr. Chow hat sich zurückgelehnt und blickt aus wissbegierigen Augen, als ich ihm von Mesmer erzähle. Laut überlegt er, ob Mesmer wohl ein Chi-Gong-Meister gewesen sei, und ich berichte ihm über dessen monumentales Werk Mémoire de Monsieur Mesmer sur la découverte du magnetisme animal , in dem er sagt, der menschliche Körper besitze wie ein Magnet zwei Pole. Ich frage Dr. Chow, was er davon halte, und er bestätigt Mesmers Aussage. Der Scheitelpunkt des Kopfes (Bai hui), sagt er, ist yang und der Punkt am Damm (Hui yin) ist yin. Dann hebt er die Hände und sagt, die linke sei yang, die rechte yin, und so gebe es überall am Körper zahlreiche Polaritäten dieser Art.
Wie es denn um Mesmers Heilkünste bestellt gewesen sei, möchte er jetzt wissen, und ich schildere ihm ein Experiment,
das eines Nachmittags in Mesmers Haus stattfand. Zur Überprüfung der Theorie des animalischen Magnetismus hatte Mesmer einen Arzt von der Royal Academy in London eingeladen. Hinter einer Abschirmung lag eine Frau in einem komaartigen Zustand, und Mesmer gab dem Besucher die Anweisung, ihren Arm zu berühren. Die junge Patientin zeigte keinerlei Reaktion. Jetzt rieb Mesmer die Hände des Arztes und ließ ihn die Patientin erneut berühren, und diesmal liefen kleine Zuckungen durch ihren Körper. Das wurde mehrmals wiederholt, und die Reaktion blieb gleich.
Dr. Chow hebt die Hand und wendet ein, die Patientin hätte das auch einfach vortäuschen können. Ich gebe ihm recht, füge aber hinzu, das sei noch nicht alles. Mesmer führte nämlich mit diesem Arzt noch weitere Experimente durch. Für eines dieser Experimente holte er etliche Porzellantassen aus der Küche und ließ den Arzt eine davon aussuchen, die er dann magnetisierte, indem er mit der Hand darüber fuhr. Jetzt nahm der Arzt zunächst die nicht magnetisierten Tassen eine nach der anderen und strich damit über den Körper der Patientin - ohne jede Reaktion. Bei der magnetisierten Tasse jedoch lief deutlich sichtbar ein Schauer über den ganzen Körper der Patientin.
Dr. Chow nickt, er möchte mehr hören. Ich erzähle, wie Mesmer die Hände des englischen Arztes in seine nahm und in tiefer Konzentration Energie in seinen Körper leitete. Dann ließ er den Arzt selbst eine der Tassen magnetisieren und an der Patientin ausprobieren, deren Körper wieder zu zucken begann. Etwas später wurden wieder die unmagnetisierten Tassen ausprobiert, und es gab keine Reaktion. Und dann das abschließende Experiment. Acht Schritte von der Patientin entfernt
und ohne jegliche Ankündigung sandte Mesmer der Frau durch seinen ausgestreckten Finger einen stetigen Strom von Energie, und ihr ganzer Körper begann sich zu schütteln. Dann ließ er den Arzt einen Platz zwischen sich und der Patientin einnehmen und deutete wieder mit dem Finger. Die Reaktion fiel genauso heftig aus.
Dr. Chow lauscht mit nach vorn geneigtem Kopf.Alle diese Wirkungen, sagt er, könne auch ein echter Chi-Gong-Meister erzeugen, aber auf dem Gebiet des Chi Gong werde auch viel mit Tricks gearbeitet und man müsse da gut aufpassen. Obwohl wir allein in der Praxis sind, senkt er die Stimme und vertraut mir an, es gebe heute viele
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