GEHEIMNISSE DER NACHT
Sie sah ihm in die Augen. „Ich will, dass die verschwinden.“
Sprachlos nahm Maxine die Bitte des zerknirscht wirkenden und etwas schuldbewusst dreinblickenden David Sumner auf, zu gehen. Morgan war in ihr Schlafzimmer zurückgekehrt, ohne sie eines Blickes zu würdigen, und dann war David in dem großen Wohnzimmer aufgetaucht und hatte ihnen gesagt, dass sie verschwinden müssten.
Lou nickte nur schwach. „Ich verstehe.“
„Ich nicht!“ Maxine starrte den Mann wütend an. „Und Sie sollten es auch nicht, David. Nicht, wenn sie Ihnen etwas bedeutet. Mein Gott, ich bin ihre Schwester. Die Schwester, von der sie nicht einmal etwas wusste. Ihre Zwillingsschwester, du meine Güte!“
„Ich weiß. Es tut mir leid, Maxine, aber es ist – das ist, was sie will.“
„Glauben Sie wirklich, dass sie selbst da drinnen mit Ihnen gesprochen hat? Sie war es nicht“, sagte Maxine mit Bestimmtheit, „er war es. Der Vampir. Er hat sie unter einer Art …“
„Max, komm schon“, unterbrach Lou sie sanft. „Ich bin auf deiner Seite, und selbst für mich klingt das überdreht.“
„Glaubst du?“
David berührte ihre Schulter, deshalb richtete sie ihren wütenden Blick von Lou auf ihn. „Ich muss zugeben“, sagte David, „die Beweise, die Sie beide haben, sind … na ja, sie sind überzeugend. Ich sage nicht, dass ich es glaube, aber ich verstehe, warum Sie es tun. Nur ist Morgan vollkommen aufgewühlt und nicht sie selbst.“
„Ich frage mich echt, warum“, murmelte Maxine.
„Ich glaube ja nur, wegen ihres jetzigen Zustands wäre es besser, zu tun, was sie will. Wenigstens, bis wir herausgefunden haben, was hier vor sich geht.“
Der finstere Blick ging in einen fragenden über, wobei Maxine langsam ihre Augenbrauen hob. „Klingt so, als wollten Sie gar nicht, dass wir gehen.“
„Ehrlich gesagt, nein.“ Er fuhr sich mit der Hand durch sein Haar und ging ein paar Schritte, ehe er sich wieder zu ihnen umdrehte. „Ich erkenne Heuchler, wenn ich welche vor mir sehe, und Sie zwei meinen es ernst. Das weiß ich. Es ist nur, sie ist so verdammt krank, und sie steht gerade so neben sich. Ich weiß nicht, ob ich alleine mit dem fertig werde, was mit ihr geschieht.“
„Und trotzdem werfen Sie uns raus.“
„Aus dem Haus, ja. Aber ich hätte gerne, dass Sie ein paar Tage in der Stadt bleiben. Ist das möglich?“ Er hob eine Hand, ehe Max antworten konnte. „Ich bezahle für Ihre Zeit, was immer Sie verlangen. Und ich bringe Sie in der Stadt unter. Es gibt einige sehr nette Hotels.“
Max spürte einen Anflug von Erleichterung. „Das Zimmer nehme ich gerne an. Aber nicht das …“
„Sie nimmt alles“, mischte Lou sich ein.
„Sie ist meine Schwester“, sagte Maxine aufgebracht.
„Sie ist reich. Du kommst gerade so klar, ich gehe bald in Rente, und Lydia muss ihre letzten Ersparnisse zusammenkratzen.“ Er runzelte die Stirn. „Wo zum Henker ist Lydia eigentlich?“
„Sie ist noch nicht wieder zurück. Wir müssen sie wohl suchen, ehe wir hier verschwinden.“ Irgendwie entwickelte sich da ein besorgtes Gefühl in ihrer Magengegend. Dann wendete sie sich wieder an David. „Sie müssen Morgan genau beobachten. Besonders nachts. Wir könnten vorbeikommen, wissen Sie. Wache halten, aus der Ferne.“
David atmete tief durch und warf einen nervösen Blick in Richtung der Treppe. „Es scheint so falsch, sie auszuspionieren. Und doch … ich mache mir Sorgen.“ Er seufzte. „Ich will sie nicht hintergehen. Ich werde sie beobachten. Vielleicht kann der Arzt ihr sogar etwas verschreiben, wenn er heute Nachmittag kommt. Ein Beruhigungsmittel, etwas, das ihr hilft, die Nacht durchzuschlafen.“
Maxine wollte widersprechen, doch Lou hielt sie davon ab. „Wir gehen. Rufen Sie uns nur auf jeden Fall an, wenn Sie uns brauchen. Und ewig können wir auch nicht hierbleiben.“
Kopfschüttelnd wandte sich Maxine an die beiden Männer. „Mir gefällt das nicht.“
„Mir auch nicht, um ehrlich zu sein“, sagte David. „Warum gehen Sie nicht nach oben und verabschieden sich, Max?“
„Wenn sie sich verabschieden wollte, hätte sie es hier unten getan.“ Sie sah von einem Mann zum anderen und seufzte dann entnervt. „Ich versuche es.“
Während David begann, Lou von dem Hotel zu erzählen, in dem er manchmal übernachtete, wenn er in der Stadt war, zum Beispiel, wenn er Morgan nicht beim Arbeiten stören wollte, ging Maxine die geschwungene Treppe hinauf. Ihre Schwester hatte wirklich alles,
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