GEHEIMNISSE DER NACHT
hatte, alarmierend zu verschlimmern, genau wie die unnatürliche Blässe ihrer Haut. Er sorgte sich um sie. Lieber Gott, ihm wurde ganz schwindelig.
Doch sogar wenn sie sich schlecht fühlte, dachte Morgan daran, die CD aus dem Laufwerk zu nehmen, sie in ihre Hülle zu stecken und in den verdammten Safe zu legen. Es war höllisch frustrierend, dass er nicht sehen konnte, welche Zahlenkombination sie eingab. Fast so frustrierend wie die Unfähigkeit, den Computerbildschirm zu erkennen, an dem sie Stunde um Stunde um Stunde schrieb.
Doch keines von beiden war so frustrierend, wie ihr so nahe zu sein und doch zu wissen, er konnte sie nie wieder berühren. Oder zu spüren, dass sie krank war, und nicht zu wissen, warum.
Er träumte von ihr, wenn er tagsüber ruhte, und das war sehr ungewöhnlich für einen Vampir. Normalerweise war ihr Schlaf tief und traumlos. War das überhaupt schon einmal vorgekommen? Wahrscheinlich nicht. Er hatte noch nie geträumt – nicht ein einziges Mal, seit Sarafina ihm das Reich der Nacht eröffnet hatte. Nicht ein einziges Mal – bis er zum ersten Mal von Morgan De Silvas Blut gekostet hatte.
Sie schaltete den Computer aus und ging nach oben. Dante war nicht böse, als er sich von seiner unbequemen Haltung vor dem Fenster erheben konnte. Er ging um das Haus herum, um an der Rückseite auf einen Baum zu klettern und sie zu beobachten, wie er es jede Nacht tat.
Sarafina würde ihn wahrscheinlich auslachen, wenn sie das wüsste. Wahrscheinlich würde sie seine kindischen Possen auf reine Lust zurückführen – und sie hätte damit nicht ganz unrecht. Aber hier war noch mehr als nur Begehren im Spiel. Da war diese Bindung – er leugnete sie, aber er spürte sie dennoch. Er musste wissen, woher Morgan ihn kannte.
Sie betrat das Schlafzimmer und ging direkt in das angrenzende Badezimmer. Während seiner Zeit hatte das Schlafzimmer aus einer Suite mit zwei Räumen bestanden. Aus dem ehemaligen Bad hatte sie einen begehbaren Kleiderschrank gemacht. Was damals ein ganzes Wohnzimmer gewesen war, hatte sie in ein Badezimmer von königlichen Ausmaßen verwandelt. An den meisten Tagen beließ sie es bei einer schnellen erfrischenden Dusche am Morgen. Dafür gab es in der Ecke eine auf drei Seiten von gefrostetem Glas eingeschlossene Kabine. Dieses Mal aber ging sie nicht in die Dusche. Sie trat stattdessen an die riesige Badewanne, drehte die Wasserhähne auf und setzte sich dann einen Moment lang auf den Rand, als hätten diese einfachen Bewegungen sie schon so erschöpft.
Die Tür schloss sie nicht hinter sich. Das tat sie nie. Warum sollte sie auch, ganz allein im ersten Stock? Warum sollte sie annehmen, jemand könnte sie sehen?
Er wollte bleiben. Ihr beim Baden zusehen. Aber wenn er das tat, würde er wahrscheinlich die Fensterscheibe einschlagen und seine Entscheidung, sich ihr nie mehr zu nähern, in den Wind schreiben. Deshalb nahm Dante all seine Willenskraft zusammen und sprang auf den Boden. Er nahm ein Bad im Meer und verbrachte eine Stunde damit, am Strand spazieren zu gehen, sich selbst zur Vernunft zu bringen und sein Verlangen unter Kontrolle zu bekommen. Als er auf den Balkon zurückkam, erwartete er, sie in ihrem Bett vorzufinden, tief schlafend.
Morgan schlief tief und fest. Aber nicht in ihrem Bett.
Ihr blasser Körper lag schlaff in der Badewanne, ihr Kopf hing zur Seite, ihr Haar ins Wasser. Er hielt sie schon für tot, als er die Balkontüren aufriss und hineinrannte, durch das Schlafzimmer und ins Bad. „Morgan?“
Sie reagierte überhaupt nicht.
Er trat an die Wanne, hob sie in seine Arme und trug sie noch tropfnass zu ihrem Bett. Im Vorbeigehen schnappte er sich ein Handtuch. Sie lebte noch. Das wusste er sofort, er hörte das Leben in ihren Zellen sprudeln, diese singende Energie, die niemand beim Namen nennen konnte. Erst mit dem Tod hörte sie auf zu singen. In den Untoten sang sie dafür aber nur um so lauter und deutlicher.
Sie hob ihren Kopf schwach von seiner Schulter. „Dante?“
„Ich bin ein Traum. Ich bin nur ein Traum“, beruhigte er sie.
In seinen Armen entspannte sie sich. Er trug sie zum Bett, trocknete sie ein wenig ab und legte sie hin, dann deckte er sie schnell zu, um ihre nackte Haut nicht sehen zu müssen. „Warum bist du so krank, Morgan?“
Sie lächelte ganz sanft. „Ich muss bald sterben. Wusstest du das nicht?“
Seine Hände vergruben sich in der Decke, die er immer noch an ihren Schultern festhielt. Dann blickte er in ihre
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