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GEHEIMNISSE DER NACHT

GEHEIMNISSE DER NACHT

Titel: GEHEIMNISSE DER NACHT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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verlorene Zeit gut in der Nacht aufholen.
    Sie ging zurück in ihr Schlafzimmer und beschloss, das Haus für eine Weile zu verlassen. Sie wollte nach draußen, an die klare Frühlingsluft, vielleicht einen Spaziergang machen, am Meer entlang bis in das malerische Örtchen eine Meile entfernt. Das würde ihr guttun. Außerdem konnte sie sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal dazu in der Lage gefühlt hatte, am Strand entlangzuspazieren.
    Sie duschte schnell, zog ein Paar Jeans und einen bequemen Pullover an, weiße Socken und leichte Tennisschuhe. Ihr Haar rubbelte sie nur mit einem Handtuch trocken und ließ es offen. Dann nahm sie eine Handtasche, die sie selten benutzte, und nur für alle Fälle auch eine Jacke.
    Als Morgan die breite Treppe hinabging, erfüllte sie eine ungeahnte Vorfreude, die sie sich selbst nicht erklären konnte. Es war nicht klug, so schnell zu gehen, bald würde sie außer Atem kommen, ermahnte sie sich selbst. Doch nichts dergleichen passierte. Ihr Herz schlug nicht einmal schneller.
    Vielleicht ging es ihr langsam besser. Vielleicht tat ihr die Seeluft gut, oder die Nahrungsergänzungsmittel, die sie einnahm, zeigten langsam Wirkung. Vielleicht …
    Sie ging eilig durch das Haus, durch die Hintertür hinaus und über den breiten grünen Rasen auf die Klippen zu. Einen Augenblick lang stand sie einfach da und blickte zum Horizont. Ein riesiger lodernder Feuerball, der sich langsam in der kühlen Umarmung der See selbst löschte. Sie hatte die Sonne schon seit Jahren nicht mehr im Pazifik untergehen sehen. Aber heute würde sie dabei zusehen, wie sich die Dunkelheit langsam über dem Wasser ausbreitete und seine Farbe veränderte, während die Sonne weit, weit hinter ihr unterging.
    Sie überlegte sich Worte, die einen solchen Anblick am besten beschreiben könnten. Wie das Wasser sich veränderte, schien es immer einen Ton dunkler als der Himmel zu bleiben. Der strahlend blaue Himmel wurde erst violett, dann indigo und schließlich mitternachtsblau. Das türkise Meer wurde erst lila, dann ebenholzschwarz.
    Der Wind wehte immer stärker, je weiter die Sonne unterging. Salzig und immer kühler drängte er Morgan neckend vorwärts und forderte sie heraus, sich gegen ihn aufzulehnen. Sie stand eine lange Zeit einfach da und sah dabei zu, wie die ersten Sterne am dunkler werdenden Nachthimmel auffunkelten. Sie seufzte anerkennend und atmete die Nachtluft tief ein. Sie schmeckte gut. Noch war sie nicht bereit, wieder ins Haus zu gehen. Sie drehte sich um und wanderte den Pfad am Rand der Klippen hinab, dort, wo er sich in einem flachen Winkel dem Ufer näherte. Als sie den Strand erreicht hatte, folgte sie der steinigen, sandigen Küste nach Süden, zur Stadt.
    Easton war klein. Malerisch, aber nicht genug, um zu einer Touristenfalle zu werden – noch nicht, wenigstens. Morgan wendete sich vom Strand ab und ging nördlich von der Innenstadt die Hauptstraße hinauf. Sie schlenderte auf dem Gehweg entlang und sah sich die Schaufenster der Läden an, die fast alle schon geschlossen waren.
    Sie bemerkte eine Menschenmenge, und als sie genauer hinsah, erkannte sie, dass sie vor dem Kino anstanden, unter einer kleinen beleuchteten Reklametafel. Das Kino war wirklich klein, nur zwei Leinwände, ein paar Hundert Sitze. Kein Surround-Sound, keine Großbildleinwand. Bis der Film begann, war der Saal geschlossen und wurde erst eine halbe Stunde vor Filmbeginn geöffnet, keine Minute früher.
    Als sie einen Blick auf die Anzeigetafel warf, musste Morgan lächeln. Ihr neuester Film wurde gezeigt, und unter dem Titel rollte in bunten Lichtern immer wieder eine Nachricht: „Nominierung Bestes Drehbuch für Eastons Morgan De Silva! Sehen Sie den Film noch heute!“
    Glücklich sah sie sich um. Es schien fast, als wäre sie hier in der Stadt eine Art Berühmtheit. Komisch, dass noch niemand beim Haus gewesen war, um sie zu belästigen. Natürlich hielt sie sich auch sehr bedeckt und ging kaum aus, hatte ihre Telefonnummer nicht eintragen lassen und jede Menge elektronische Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Vielleicht wussten die Leute hier draußen auch nur die Privatsphäre des anderen zu schätzen?
    Es musste noch mehr sein. Und wenn sie ehrlich zu sich war, wusste sie auch, woran es lag. Vielleicht war es aber auch albern von ihr, anzunehmen, die Leute mieden ihr Haus immer noch, weil es nichts von der dunklen Energie früherer Tage verloren hatte.
    Noch immer trug sie ihre Jacke über dem Arm.

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