Geheimnisse des Himmels
zu Boden. Es war nicht ihre Art einen solchen Gefühlsausbruch vor den Augen so vieler Menschen hinzulegen. Sie wollte ihre Tante nicht vor allen Leuten so bloßstellen, aber über all die Jahre hatte sich sehr viel Wut angestaut.
„Genau deshalb“, sagte ihre Tante ruhig.
Dass Relia ebenfalls ruhig blieb, ließ Kaithlyn sich noch schlechter fühlen. Kaithlyn fragte sich, was es wohl für sie bedeutet hatte, so zu leben. Hatte Relia auch Angst gehabt? Dadurch, dass sie ihre Nichte bei sich aufgenommen hatte, brachte sie sich selber in Gefahr, oder? Kaithlyn dachte an die unzähligen Streitereien zwischen ihnen. All an die Konflikte und Auseinandersetzungen, die sie erlebt hatte, durch die sie sich gegenseitig verletzt und noch weiter voneinander entfernt hatten.
„Entschuldige“, sagte Kaithlyn leise und setzte sich wieder. Harlow war vor Schreck über den plötzlich angestiegenen Lärmpegel unter einen leeren Sessel gesprungen, um sich zu verstecken. Kaithlyn bedachte sie mit einem hilflosen Blick.
„Wegen all der Vorkommnisse habe ich beschlossen, dass wir Custocorward verlassen werden“, erklärte Relia.
„Ich möchte das Risiko nicht eingehen, das dir etwas geschieht. Zudem kann jemand anderes dir besseren Schutz bieten. Schutz, denn ich niemals aufbringen könnte. Ich habe gründlich darüber nachgedacht. Da du bald fünfzehn wirst und auf die Akademie gehst, wird es leichter sein dich aufzuspüren und du wirst Unterstützung nötig haben. Zudem wird es an der Zeit, das du erfährst, wer deine Eltern waren und was es bedeutet ihren Namen zu tragen. Ich hätte es dir gerne erspart, aber diese Konfrontation ist nun unausweichlich.“
„Ich lerne meine Familie kennen?“
Kaithlyns Augen weiteten sich.
„Ich darf Sie kennenlernen?“
Ihre Tante nickte langsam.
„Derjenige nach dem ich habe suchen lassen ist Lyon Karacord, dein Großvater“, sagte Mrs Abadon vorsichtig, sie wollte nicht, das Kaithlyn noch einmal laut wurde.
„Ich habe einen Großvater?“, fragte Kaithlyn erneut mit einem Anflug von Wut in der Stimme. Während Sie sich unterhielten, waren alle anderen unheimlich still.
„Dein Großvater und ich sind im Schlechten auseinandergegangen. Nachdem ich die Familie verlassen habe, brach ich den Kontakt zu ihm gänzlich ab. Du musst wissen, dass er eine mächtige Position innehält und ein sehr einflussreicher und bekannter Mann ist. Als deine Mutter verschwand, wurde es ruhig um ihn. Gerüchte kamen auf, weil er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Böse Zungen munkelten sogar er sei gestorben“, sagte Mrs Abadon und sah gequält zu Boden. Kaithlyn stöhnte verächtlich. Die eine Tochter hatte ihn verlassen und die andere war unauffindbar. Kein Wunder, das dieser Mann sich zurückgezogen hatte. Im Gegensatz zu Relia schien ihm das Wort Familie etwas zu bedeuten.
„Warum hat er mich nie besucht? Warum durfte ich nichts von ihm wissen?“
Kaithlyn verstand, was Relia ihr erklärt hatte, aber dennoch…dann fiel es ihr wie Schuppe von den Augen.
„Er weiß nicht, dass ich bei dir bin. Er denkt ich sei mit meinen Eltern verschwunden…“
Kaithlyn schlug sich eine Hand vor den Mund, um ein Aufschluchzen zu unterdrücken. Sie bemühte sich die brennenden Tränen zurück zudrängen, die sich nun einen Weg an die Oberfläche bahnten.
„Ja“, bestätigte ihre Tante.
„Wir werden ihm einen Besuch abstatten. Dort wirst du auf weiteres bleiben, bis die neue Schule dir Schutz bieten kann.“
Kaithlyn fühlte leeres Entsetzen.
„Musa Koirbet ist unsere Verbindungsperson zu der Insel, auf der er lebt.“
Sie wand sich Melora zu.
„Melora Blane wird Musas Aufgabe übernehmen und mit uns reisen.“
Als nächstes wies Mrs Abadon auf Fye.
„Fye Crossdale ist derjenige, der deinen Großvater aufgespürt hat. Seine Familie lebt ebenfalls auf der Insel, auf der er sich befindet. Auch er wird uns begleiten.“
Kaithlyn drehte sich instinktiv in Kaines Richtung.
„Kaine Karrow wird dein Begleitschutz sein, solange ich dies für nötig halte.“
Ein unausgesprochener Satz lag in der Luft. Kaithlyn funkelte Relia finster an.
„Du wirst mich nicht begleiten?“
Sie dachte an Relias Gepäck. Dann bedachte sie Mrs Koirbet abschätzend.
„Wohin werdet ihr zwei gehen?“
Kaithlyns Herz schlug unregelmäßig, ein Takt außerhalb der bekannten Melodien, der Unbekümmertheit und Stärke. Es war etwas Schmerzendes und ein dicker Kloß bildete sich in ihrer Kehle, die ganz
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