Geheimnisse des Himmels
ihren Socken. Sie war noch immer enttäuscht und wütend. Nachdem sie angezogen war, beschloss sie eine Tour durch die vielen Zimmer und Flure zu machen, in der Hoffnung auf irgendjemanden zu stoßen. Es war verdammt gruselig, wenn es ununterbrochen so still blieb, es war unnatürlich. Als wäre das ganze Haus erstarrt, gefangen in einem Zauber, so wie in einem Märchen. Da sie Mr Roberts vor dem gestrigen Abendessen versichert hatte, sie würde sich von nun an selber zu Recht finden, hatte sie es abgelehnt, dass er wie am Tag zuvor zu früh an ihrer Türschwelle auftauchte. Allein. Allein. Allein. Gott sei Dank gab es auch noch Harlow. Sie war gerade aufgewacht, streckte sich verschlafen und leckte sich eine ihrer pelzigen Pfoten.
„Wie fühlst du dich?“, fragte Kaithlyn besorgt. Nach einer gründlichen Musterung befand sie, das Harlow viel besser aussah.
„Mir geht’s gut.“
Harlow schmiegte sich an Kaithlyn Arm und ihre grünen Augen strahlten sie an, als hätte sie niemals erfahren müssen, was Schmerz war. Sie betrachtete die ausgewaschenen Stellen in Harlows Fell, an denen vorher so viel Blut geklebt hatte. Ihre Augen wanderten zu der feinen Narbe, die nur noch erahnen ließ, das Harlow einmal tödlich verwundet worden war.
„Ich heile schnell“, wisperte Harlow.
„Es tut –“
Harlow schüttelte missbilligend den Kopf. Ihre Ohren richteten sich auf.
„Nein, kein Wort darüber, Kaithlyn. Ich weiß genau, wie leid es dir tut. Ich habe die ganze Zeit die Schwingungen deiner Gefühle gespürt, als würde ich elektrische Funken abkriegen.“
„Was?“
Das Grün in Harlows Augen färbte sich heller.
„So läuft das nun einmal. Es ist nicht deine Schuld.“
„Ich bin so froh, dass es dir gut geht“, sagte Kaithlyn überwältigt.
„Ich –“
„Ich habe Hunger.“
Harlow richtete sich zu voller Größe auf.
„Das Erste, an das du denkst ist Essen?“
Kaithlyn starrte sie ungläubig an.
„Das Einzige woran ich denke ist Essen“, scherzte Harlow munter und streckte ihr die Zunge heraus. Sie war wieder ganz die Alte. Auf dem Weg ins Esszimmer hopste sie vergnügt neben Kaithlyn her. Zu Kaithlyns Überraschung saß ihr Großvater zusammen mit Mr Roberts am Tisch. Sie unterhielten sich, verstummten jedoch abrupt, als sie die beiden kommen sahen.
„Guten Morgen, Kaithlyn. Wer ist das denn an deiner Seite?“, fragte Mr Karacord fröhlich.
„Das ist Harlow.“
Harlow sah den alten Mann neugierig an.
„Setz dich doch. Wo sind denn deine Freunde?“
Unauffindbar , lag ihr auf der Zunge.
„Ich weiß es nicht genau“, sagte sie, setzte sich und füllte sich eine Tasse mit grünem Tee. Der Überschuss an verlockendem Essen entging ihr auch heute nicht. Ob der Koch es als Beleidigung hinnehmen würde, wenn man nach simplem Brot fragen würde?
Nicht, das Kaithlyn sich nicht daran gewöhnen könnte. Relias Talente lagen eindeutig nicht in der Küche und Kaithlyn war wieder einmal von neuem fasziniert, welche leckeren Sachen fähige Köche zustande bringen konnten. Sie entschied sich für eine Schale Obstsalat.
„Entschuldige nochmals wegen gestern“, sagte ihr Großvater.
„Kein Problem“, nuschelte Kaithlyn den Mund voll mit Trauben. Sie verschluckte sich fast.
„Eliza Green, ist sie…ich meine, gehört sie zu den Greens?“
„Sie ist eine sehr gute Freundin von mir und ja sie gehört zur Familie Green. Anthony Green ist ihr Sohn. Sie hatte ein besonderes Anliegen an mich.“
Kaithlyn fragte nicht weiter nach. Sie hasste Green für alles was er Harlow angetan hatte. Eines Tages wird er es büßen , dachte sie voller Abscheu.
„Ich habe heute Morgen mit Mrs Koirbet gesprochen. Sie sind gut in Senegade angekommen. Es wäre vielleicht eine gute Idee, wenn du mit Relia sprichst. Nur, um ihr Gewissen zu beruhigen.“
„Wie?“, fragte Kaithlyn interessiert. Es gab Boten, die von Absender zum Empfänger reisten, um Nachrichten zu übermitteln, die Möglichkeit Briefe zu verschicken oder einen Passager, dafür zu bezahlen, das er einen seiner Swiftadler losschickte – Vögel, die innerhalb von Stunden Hunderte Kilometer überbrücken konnten – die teuerste und schnellste Methode zu kommunizieren.
„Hast du schon einmal von einem Disceptor gehört?“
Mr Karacord las Kaithlyns verwirrte Miene.
„Dann wird es höchste Zeit!“
Der Disceptor stellte sich als eine kleine Maschine heraus, die in einem der Räume in der Nähe des Arbeitszimmers von Mr Karacord stand. Bis
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