Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
über dem Katharo-Plateau auf Kreta ab. Wegen Sichtbehinderung durch Wolken konnten die anderen Mitglieder seines Kommandos, Hauptmann Moss und zwei kretische Agenten, nicht springen. Erst zwei Monate später, am 4. April, gelang ihnen in einem Boot die nächtliche Landung auf der von den Deutschen besetzten Insel. Die Briten standen von Anfang an in engem Kontakt mit griechischen Kämpfern und Partisanen. In einigen Dörfern und Gebieten waren sie hochwillkommen; andere Gegenden mieden sie wegen vermeintlich »verräterischer« Elemente. Wochenlang versteckten sie sich in Höhlen und ließen sich aus den Dörfern mit Nahrungsmitteln versorgen.
General Heinrich Kreipe amtierte erst seit März 1944 als
Oberkommandierender der deutschen Truppen auf Kreta.
Bundesarchiv, Koblenz (Bild183-2012-0921-500/Heinrich Hoffmann)
In Kairo erfuhren derweil britische Abhörspezialisten aus deutschen Funksprüchen, dass General Müller die Insel Ende März verlassen hatte und durch Generalmajor Heinrich Kreipe ersetzt worden war. Dennoch sollte die Entführung eines deutschen Generals auf Kreta in die Tat umgesetzt werden. Verkleidet als Hirten, begannen Leigh Fermor und der kretische SOE -Agent Mickey Akaumianos, das Gebiet südlich der Stadt Heraklion zu erkunden. Dort, in direkter Nachbarschaft zu den Ausgrabungen von Knossos und dem Palast des König Minos, lag die Villa Ariadne, in der General Kreipe sein privates Quartier hatte. Einige Tage lang beobachtete Leigh Fermor, was sich in und um das gut bewachte Anwesen tat. Dann war ihm klar, dass Kreipe jeden Abend zwischen der Dämmerung und 21 Uhr mit seinem Dienstwagen an der Villa Ariadne abgesetzt wurde.
Auch am 26. April 1944 hatte General Heinrich Kreipe sich zur allabendlichen Skatrunde im Kasino des deutschen Hauptquartiers in Ano Archanes eingefunden. Gegen 21 Uhr machte er sich, chauffiert vom Unteroffizier Alfred Fenske, auf den Heimweg zur Villa Ariadne. Knapp 20 Minuten dauerte die Fahrt. Sanfte Hügel, Felder und Olivenhaine lagen am Wegesrand. Auf halber Strecke musste sein Fahrer – wie an jedem Abend – in langsamem Tempo eine enge Kurve nehmen, um dann auf die Hauptstraße Richtung Knossos abzubiegen. Die Insassen des Opel Kapitän ahnten nicht, dass sie von Leigh Fermor und seinem Kommando erwartet wurden. Schon an vier Abenden zuvor hatten die Angreifer auf sie gelauert. Doch zugeschlagen hatten sie bisher nicht, weil Kreipe zu früh in Ano Archanes aufgebrochen war – für einen Angriff war es in den Tagen zuvor einfach noch nicht dunkel genug gewesen.
Captain William Stanley Moss und Major Patrick Leigh Fermor
in deutschen Uniformen vor der Kreipe-Entführung,
Kreta, April 1944.
William Stanley Moss (Mit freundlicher Genehmigung von
© The Estate of William Stanley Moss; aus seinem Buch
»Ill Met by Moonlight«, Paul Dry Books und Cassell/Orion Books)
Als General Kreipe gegen 21.30 Uhr bemerkte, dass sein Fahrer vor der Haarnadelkurve abbremste, geschah etwas Ungewöhnliches. Zwei Männer in der Uniform der deutschen Feldgendarmerie tauchten am Straßenrand auf – mit rotem Taschenlampensignal bedeuteten sie dem Fahrer, dass er anhalten solle. Eine Verkehrskontrolle? Kreipe war verwundert. Sein Wagen trug den Stander des kommandierenden Generals. Hatten die deutschen Militärpolizisten nicht bemerkt, wer hier vorfuhr? »Der Wagen stoppte. Moss und ich gingen auf die beiden Türen zu und zogen unsere Pistolen. Ich öffnete die rechte Tür und leuchtete mit der Lampe hinein. Ich sah den General – er war leicht an all den Orden zu erkennen. Auf Deutsch fragte ich nach seinen Papieren. Während der General noch etwas erklärte, öffnete Moss die Fahrertür, schlug mit einem Schlagstock hart auf den Fahrer ein, nahm ihn bei den Schultern, zerrte ihn heraus und warf ihn den wartenden Kretern vor die Füße. Die entwaffneten und fesselten ihn schnell und zogen mit ihm dann ab in Richtung der Berge«, schreibt Leigh Fermor am 16. Mai 1944 in seinem offiziellen Bericht. »Gleichzeitig schnappten wir uns den General, fesselten ihn mit Handschellen und verfrachteten ihn nach hinten ins Auto.« Neben ihn setzten sich drei kretische Partisanen, die ihn mit Messern in Schach hielten. Leigh Fermor setzte sich die Generalsmütze auf und nahm auf dem Beifahrersitz Platz, während Moss die Rolle des Fahrers übernahm und losbrauste.
Bei allen SOE-Operationen konnten die SOE-Offiziere und Agenten wenig ausrichten ohne die Hilfe der örtlichen Bevölkerung. Sie
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