Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs (German Edition)
Leben schon lange nicht mehr vorstellen. Er dankte es seinem Arzt, indem er ihn mit Geld und Auszeichnungen überhäufte. So ernannte Hitler Morell zum Professor und verlieh ihm das Goldene Parteiabzeichen und das Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz. Wenn jemand wusste, ob und wie krank Hitler war, dann Dr. Theodor Morell.
»Ohne Morell ganz aufgeschmissen«: Der »Führer« und sein »Doktorchen« in der Wolfsschanze, Frühjahr 1942.
BPK, Berlin (Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann)
Über die Behandlungen seines »Patienten A« hatte Morell ausführliche Tagesnotizen angelegt, in denen er sämtliche wichtigen Daten seiner Behandlung Hitlers festhielt. Morell notierte, welche Beschwerden Hitler plagten, welche ärztlichen Maßnahmen er ergriff und welche Medikamente er ihm verschrieb, aber auch die Gedanken und Stimmungen seines Patienten und den Inhalt ihrer Gespräche hielt der Arzt fest. Morell tat dies auch zu seinem eigenen Schutz. Wusste er doch genau, dass man als Ersten ihn in Verdacht gehabt hätte, wenn seinem Patienten einmal etwas zugestoßen wäre. Aus diesem Grund führte er auch Vorsorgeuntersuchungen durch und protokollierte alle seine Maßnahmen, um sie jederzeit überprüfen und belegen zu können. Bis heute sind die medizinischen Unterlagen Hitlers, seine Röntgenbilder sowie Morells Briefe und geheime Tagebücher erhalten geblieben. Sie lagern im Bundesarchiv in Koblenz und in den National Archives in Washington. Aus ihnen lässt sich die Krankengeschichte Adolf Hitlers rekonstruieren. Und sie geben Antworten auf die Frage, wie krank Hitler wirklich war und ob seine Gesundheit Auswirkungen auf seine Politik hatte.
Professor Morell – Hitlers Rasputin
»Morell vergiftet dich, nimm seine Medikamente nicht.« Eva Braun versuchte noch wenige Tage vor dem gemeinsamen Selbstmord am 30. April 1945, Adolf Hitler von dem vermeintlich schlechten Einfluss seines Leibarztes zu befreien. Offensichtlich mit Erfolg. Denn wie Morell einer amerikanischen Journalistin nach dem Krieg gestand, endete seine Karriere kurz darauf. Spätabends hatte der Arzt noch einmal nach seinem Patienten gesehen, um ihm eine Koffeinspritze zu verabreichen, da ihm Hitler so »erschöpft und niedergeschlagen« erschienen war. Kaum hatte er diesen Vorschlag gemacht, sprang Hitler auf und schrie ihn an: »Denken Sie, ich bin verrückt, Sie wollen mir wahrscheinlich Morphium geben?« Hitler tobte weiter und drohte sogar damit, Morell erschießen zu lassen. Schließlich befahl er ihm: »Gehen Sie nach Hause, ziehen Sie die Uniform aus, und verhalten Sie sich so, als hätten Sie mich nie gesehen, und werden Sie wieder der Arzt vom Kurfürstendamm.« Morell brach daraufhin vor Hitlers Füßen zusammen und weinte »wie ein kleines Kind«. Zwei Tage später verließ der einst mächtigste Arzt des Deutschen Reiches das eingeschlossene Berlin mit einer der letzten Maschinen in Richtung München.
Nach 1945 haben zahlreiche Historiker und Memoirenschreiber ein verheerendes Bild von Hitlers Leibarzt gezeichnet. Sie schilderten ihn als Scharlatan und Quacksalber, der seinen Schutzbefohlenen und ahnungslosen Patienten mit einem Cocktail aus Schwindelmedizin abhängig machte und ihn langsam, aber sicher gesundheitlich völlig ruinierte. Dabei stützten sie sich auch auf Aussagen von Zeitzeugen, wie dem Keitel-Adjutanten und späteren Bundeswehrgeneral Bernd Freytag von Loringhoven, der behauptete, dass Morell Hitler »höchstpersönlich Aufputschmittel« verabreichte hatte, von denen Hitler »in seinem bereits geschwächten Gesundheitszustand längst abhängig gewesen« war. Und der Generaloberst Heinz Guderian lehnte den Arzt ab, weil er angeblich sah, »was dieser unappetitliche fette Kurpfuscher bei Hitler angerichtet hatte«. Andere Zeitgenossen aus Hitlers Umgebung mochten den Leibarzt nicht, weil ihnen der Umgang mit ihm Ekel bereitete. So erzählte Hitlers Sekretärin Traudl Junge, dass sein Äußeres einen ungepflegten Eindruck machte und er durch seine Tischmanieren viele Mitarbeiter in Hitlers Hauptquartier Wolfsschanze abgestoßen habe. Hitlers Geliebte Eva Braun und Dr. Hanskarl von Hasselbach aus dem Stab der Begleitärzte des Diktators beklagten sich über den unangenehmen Körpergeruch Morells. Doch Hitler störte das offensichtlich wenig. Er erklärte: »Morell ist nicht zum Beriechen da, sondern um mich gesund zu halten.«
Hitler eine Zeitbombe zu nennen, hieße die Sache zu unterschätzen: Es war Morell,
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