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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Vaters nannte, die Familie besucht, doch wenn er kam, dann nie zu den offiziellen Besuchszeiten. Spät in der Nacht erschien er und verschwand gegen alle Vorschriften des Anstands immer mit Annabelles Mutter Philippa allein in deren Zimmer. In den Tagen nach diesen Besuchen entging es Annabelle nicht, dass einige ihrer dringlichsten Rechnungen auf mysteriöse Weise beglichen wurden oder dass irgendein wütender Gläubiger plötzlich Ruhe gab.
    Außerdem war Philippa danach immer ungewöhnlich schlecht gelaunt, leicht gereizt und schweigsam.
    Es fiel Annabelle schwer zu glauben, dass ihre Mutter, ihre stets sittsame Mutter, ihren Körper verkaufte. Aber das war die einzige Erklärung für Annabelle, und diese Tatsache erfüllte sie mit hilfloser Scham und Wut. Ihr Zorn richtete sich nicht allein gegen die Mutter – Annabelle war auch wütend über die Situation, in der die Familie sich befand, vor allem aber auf sich selbst. Es hatte lange gedauert, bis sie endlich verstanden hatte, weshalb es ihr bisher noch nicht gelungen war, sich einen Ehemann zu angeln. Sie konnte noch so charmant sein, ein Mann konnte noch so viel Interesse an ihr zeigen, sie würde dennoch nie einen Heiratsantrag bekommen. Zumindest würde kein respektabler Mann um ihre Hand anhalten.
    Seit ihrem Debüt in der Gesellschaft hatte Annabelle ganz allmählich akzeptieren müssen, dass ihr Traum von einem attraktiven, gebildeten Freier, der sich in sie verlieben und alle ihre Probleme lösen würde, nur naive Fantasie war. Nach vielen Enttäuschungen war sie bereits in der dritten Saison aller Illusionen beraubt gewesen.
    Und nun, in ihrer vierten Saison, näherte sich das unschöne Bild von Annabelle als der Frau eines Bauern erschreckend nahe der Wirklichkeit.
    Mit versteinerter Miene versuchte sie an Hodgeham vorbeizugehen. Er legte ihr seine fleischige Hand auf den Arm. Annabelle zuckte so heftig und abweisend zurück, dass sie fast das Gleichgewicht verloren hätte. „Fassen Sie mich nicht an“, zischte sie.
    Die rosige, gesunde Gesichtsfarbe ließen Hodgehams blaue Augen noch heller wirken. Grinsend legte er seine Hand auf das Geländer und versperrte damit Annabelle den Weg. „So unfreundlich“, murmelte er mit der eigenartig hohen Fistelstimme, die anscheinend vielen großen Männern eigen war. „Nach all den Gefälligkeiten, die ich Ihrer Familie erwiesen habe …“
    „Sie haben uns keine Gefälligkeiten erwiesen“, erwiderte sie kurz angebunden.
    „Man hätte Sie schon längst auf die Straße geworfen, wenn ich nicht so großzügig gewesen wäre.“
    „Soll ich etwa dankbar sein?“, fragte Annabelle voller Abscheu. „Sie sind ein widerlicher Aasgeier.“
    „Ich habe nichts genommen, was man mir nicht freiwillig angeboten hat.“ Hodgeham streckte seine Hand aus und berührte Annabelles Kinn. Angewidert schrak sie vor seinen feuchten, schwitzigen Fingern zurück. „Für meinen Geschmack ist Ihre Mutter viel zu zahm.“ Er beugte sich näher zu Annabelle, so nahe, bis ihr sein süßlich fader Körpergeruch – überlagert von reichlich viel Eau de Cologne – in die Nase stach. „Vielleicht sollte ich das nächste Mal Sie ausprobieren“, drohte er leise.
    Zweifelsohne hatte er erwartet, dass Annabelle weinen, erröten oder um Gnade flehen würde. Aber sie maß ihn nur mit einem kalten Blick. „Sie dummer, alter Narr“, sagte sie ruhig, „falls ich irgendjemandes Mätresse werden wollte, glauben Sie nicht, ich könnte jemanden besseren als Sie finden?“
    Hodgeham verzog die Lippen zu einem gequälten Lächeln, und es freute Annabelle, dass es ihn einige Mühe kostete. „Es ist nicht klug, mich zum Feind zu haben. Mit ein paar Worten an der rechten Stelle könnte ich Ihre Familie hoffnungslos ruinieren.“ Er starrte auf den fadenscheinigen Stoff ihres Kleides und lächelte geringschätzig.
    „Lumpen und falsche Juwelen … An Ihrer Stelle wäre ich nicht so überheblich.“
    Annabelle trieb es die Röte ins Gesicht. Ärgerlich schlug sie seine Hand weg, als er versuchte, ihr an die Bluse zu fassen. Leise in sich hineinlachend ging Hodgeham daraufhin die Treppe hinunter. Annabelle wartete still, bis sie hörte, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Sie hastete nach unten und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Dann legte sie die Hände flach gegen die schwere Eichentür, lehnte die Stirn gegen das Holz und versuchte sich zu beruhigen, denn ihr Atem ging schnell vor Angst und

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