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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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leichtes Raunen durch die Menge ging, als Westcliff den Raum betrat. Völlig ungezwungen schien er seine Aufgabe als Hausherr wahrzunehmen, während er geschickt die Paare für den Einzug in den Speisesaal zusammenbrachte. Obwohl er nicht von überragender Größe war, so besaß er doch eine Anziehungskraft, die nicht zu übersehen war. Insgeheim wunderte sich Annabelle, wieso manche Menschen diese Eigenschaft hatten – etwas, das jeder ihrer Gesten, jedem ihrer Worte eine gewisse Bedeutung verlieh. Auch Lillian schien dies bemerkt zu haben, wie Annabelle mit einem kurzen Blick auf das amerikanische Mädchen vermutete.
    „Das ist ein Mann, der eine gute Meinung von sich hat“, sagte Lillian trocken. „Ich frage mich, was ihn denn wohl – wenn überhaupt – von seinem hohen Ross herunterkommen ließe.“
    „Weiß ich auch nicht. Aber wenn das geschieht, dann möchte ich dabei sein“, antwortete Annabelle.
    Evie zog Annabelle leicht am Arm. „Dort in der Ecke steht Lord K…Kendall.“
    „Kennst du ihn?“
    „Nein. Aber er ist umgeben von mindestens einem Dutzend unverheirateter Frauen, die ihn wie die H…Haie umschwärmen.“
    Annabelle betrachtete den jungen Mann inmitten seines Gefolges. „Gut beobachtet!“ Das Ubermaß an weiblicher Aufmerksamkeit schien Lord William Kendall zu verwirren. Der blonde, schlanke junge Mann mit den schmalen Gesichtszügen trug eine Brille. In den blank geputzten Brillengläsern spiegelte sich sein Erstaunen, mit dem er die Gesichter um sich herum betrachtete. Das ungestüme Interesse, das einem Mann von Kendalls scheuem Auftreten galt, bewies, dass es kein besseres Aphrodisiakum gab als einen Junggesellen am Ende der Saison. Während Kendall noch im letzten Januar für diese Mädchen absolut uninteressant gewesen war, hatte er nun im Juni eine unwiderstehliche Anziehungskraft bekommen.
    „Er macht einen netten Eindruck“, sagte Annabelle nachdenklich.
    „Er sieht aus, als könne man ihn leicht erschrecken“, war Lillians Kommentar. „An deiner Stelle würde ich mich möglichst schüchtern und hilflos geben, wenn ich ihn träfe.“
    Annabelle warf ihr einen ironischen Blick zu. „Hilflosigkeit war noch nie meine Stärke. Ich werde es mit Schüchternheit versuchen, aber versprechen kann ich nichts.“
    „Ach, dir wird es bestimmt nicht schwerfallen, Kendalls Interesse von diesen Mädchen abzulenken“, machte ihr Lillian Mut. „Wenn die Gesellschaft nach dem Essen zum Tee und zum Plaudern in den Salon geht, dann werden wir schon eine Möglichkeit finden, dich vorzustellen.“
    „Wie sollte ich …“, begann Annabelle und schwieg verwundert, da sie ein sanftes Prickeln im Nacken spürte – so als ob ihr jemand mit einem Farnwedel über die Haut strich. Als sie aufblickte, stellte sie fest, dass Simon Hunt sie beobachtete.
    Er stand auf der anderen Seite des Zimmers, mit der Schulter lässig gegen einen Pfeiler gelehnt, und tat, als sei er in ein Gespräch mit zwei anderen männlichen Gästen vertieft. Doch sein Blick war so konzentriert wie der Blick einer Katze, die überlegte, wann sie sich auf die Beute stürzen sollte. Es war klar, dass Hunt ihr Interesse an Kendall bemerkt hatte.
    Fahr doch zur Hölle, dachte Annabelle verärgert und drehte ihm bewusst den Rücken zu. Sie traute Hunt zu, ihr Schwierigkeiten zu machen. „Habt ihr gesehen, dass Mr. Hunt auch hier ist?“, fragte sie. Ihre Freundinnen sahen sie bestürzt an.
    „Dein Mr. Hunt?“, sprudelte es aus Lillian heraus und Daisy drehte sich neugierig nach ihm um.
    Annabelle verzog das Gesicht. „Nicht mein Mr. Hunt“, protestierte sie. „Aber er steht da drüben. Ich bin ihm heute schon mal begegnet. Er behauptet, ein enger Freund von Westcliff zu sein.“ Sie legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Glaubt mir, Mr. Hunt wird alles Erdenkliche tun, um unsere Pläne zunichtezumachen.“
    „Ist er wirklich so egoistisch?“, fragte Evie erstaunt. „Will er verhindern, dass du heiratest? Um dich zu seiner …, seiner …“
    „… Geliebten zu machen“, half ihr Annabelle. „Das ist kaum auszuschließen. Mr. Hunt hat nämlich den Ruf, vor nichts zurückzuschrecken, wenn er etwas haben will.“
    „Das mag ja wahr sein“, sagte Lillian, und um ihre Mundwinkel lag ein entschlossener Zug. „Dich wird er aber nicht bekommen – das verspreche ich dir.“
    Das Abendessen war eine großartige Inszenierung. In endloser Prozession wurden riesige Silberterrinen und Platten um die drei

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