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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Annabelle ihr. „In England bedeutet Adel Macht. Vom Titel hängt es ab, wie man dich behandelt, welche Schulen deine Kinder besuchen, wohin du eingeladen wirst … Jede Facette deines Lebens ist davon bestimmt.“
    „Ich weiß nicht …“, begann Daisy und wurde durch Evies Rückkehr unterbrochen. Sie versuchte zwar nicht zu zeigen, wie aufgeregt sie war, doch an ihren glänzenden blauen Augen und den vor Aufregung geröteten Wangen sah man, dass sie etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Sie setzte sich auf den Stuhl neben Annabelle, rutschte auf die Kante und beugte sich zu ihr hinüber. „Ich m…musste ganz sch…schnell zurückkommen, um es dir zu s…sagen …
    Er ist alleine!“, flüsterte sie stotternd.
    „Wer?“, flüsterte Annabelle zurück. „Wer ist alleine?“
    „Lord Kendall! Ich habe ihn auf der hinteren Terrasse gesehen. Da sitzt er ganz allein an einem Tisch.“
    „Vielleicht wartet er auf jemanden“, meinte Lillian. „Dann wäre es wahrlich nicht gut, wenn Annabelle auf ihn losstürmte wie ein brünstiges Rhinozeros.“
    „Für einen etwas schmeichelhafteren Vergleich wäre ich dankbar, meine Liebe“, beschwerte sich Annabelle.
    Lillian grinste beschämt. „Tut mir leid. Aber sei vorsichtig, Annabelle.“
    Annabelle lächelte einsichtig. „Verstanden!“ Dann erhob sie sich und strich kurz ihre Röcke glatt. „Ich werde sehen, wie die Lage ist. Danke, Evie!“
    „Viel Glück“, erwiderte Evie, und alle drei hielten Annabelle die Daumen, während sie ihr nachschauten, wie sie den Salon verließ.
    Annabelles Herz schlug schneller, während sie durch das Haus ging. Ihr war durchaus bewusst, dass sie die verschlungenen Pfade sozialer Regeln übertrat. Eine Dame suchte niemals vorsätzlich die Gesellschaft eines Herrn.
    Doch sollten sich ihre Wege zufällig kreuzen, sie zufällig nebeneinander auf einem Sofa oder einem Stuhl sitzen, dann durften sie ein paar freundliche Worte miteinander wechseln. Sie sollten aber nie alleine sein, es sei denn, sie ritten aus oder fuhren in einer offenen Kutsche. Und wenn ein Mädchen durch Zufall beim Spaziergang durch den Garten auf einen Mann traf, dann musste sie peinlich darauf achten, dass die Situation nicht kompromittierend für sie wurde.
    Es sei denn, sie legte es darauf an.
    Als sie sich der langen Reihe französischer Fenster näherte, die sich zu der großen, gefliesten Terrasse hin öffneten, sah Annabelle ihr Opfer. Genau wie Evie beschrieben hatte, saß Lord Kendall alleine an einem runden Tisch. Ein Bein weit von sich gestreckt, hatte er sich im Stuhl zurückgelehnt und schien die kurze Pause von der überhitzten Atmosphäre im Haus zu genießen.
    Leise ging Annabelle zur nächsten Tür und schlüpfte ins Freie. Es lag ein ganz leichter Duft von Heide und Torfmyrthe in der Luft, und von jenseits des Gartens war das beruhigende Plätschern des Baches zu hören.
    Annabelle hielt den Kopf gesenkt und rieb sich die Schläfen, so als ob ein bohrender Kopfschmerz sie quälte.
    Ungefähr zehn Schritt von Kendalls Tisch entfernt schaute sie auf, stutzte und stieß ein erschrockenes „Oh!“ aus.
    Sie war nervös. Es war wichtig, dass sie jetzt den richtigen Eindruck auf ihn machte. Deshalb fiel es ihr auch nicht schwer, verängstigt zu klingen. „Ich hatte gar nicht bemerkt, dass hier draußen jemand ist…“
    Kendall stand auf. Seine Brillengläser glänzten im Schein der Terrassenfackeln. Im Gegenlicht wirkte er fast unwirklich, selbst die Jacke mit den gepolsterten Schultern konnte nicht verhehlen, wie dünn er war. Trotz der Tatsache, dass er nahezu einen halben Kopf größer war als Annabelle, wäre sie nicht überrascht gewesen, wenn sie beide das gleiche Gewicht gehabt hätten. Seine Haltung war unsicher und seltsam angespannt, wie ein scheues Reh, sprungbereit für eine hastige Flucht. Während sie ihn so anstarrte, musste sich Annabelle insgeheim eingestehen, dass Kendall nicht der Mann war, zu dem sie eine natürliche Zuneigung verspürte. Sie mochte keine eingelegten Heringe. Doch wenn man einem Verhungernden ein Glas mit eingelegten Heringen reichte, würde er wohl kaum die Nase rümpfen.
    „Hallo“, sagte Kendall. Seine Stimme war leise und kultiviert, aber etwas zu hoch. „Kein Grund zu erschrecken.
    Ich bin völlig harmlos. Ganz bestimmt.“
    „Darüber werde ich später urteilen“, antworte Annabelle mit einem zurückhaltenden Lächeln und stöhnte leise, als schmerze es sie, den Kopf zu bewegen. „Entschuldigen Sie

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