Geheimnisse einer Sommernacht
drei Mädchen.
„Evie“, quietschte Daisy vergnügt und wollte ihr entgegenlaufen. Annabelle hielt sie an ihrem behandschuhten Arm zurück.
„Warte! Evie wird wahrscheinlich vor Scham in Ohnmacht fallen, wenn du die Aufmerksamkeit aller auf sie lenkst.“
Gehorsam blieb Daisy stehen. „Du hast recht“, meinte sie keck grinsend. „Ich benehme mich wirklich wie eine Wilde.“
„Na, Schwesterherz, ganz so schlimm ist es nicht…“, tröstete Lillian.
„Danke!“ Daisy schien freudig überrascht.
„… du benimmst dich nur wie eine Halbwilde“, beendete Lillian ihren Satz.
Annabelle verbiss sich das Lachen und legte ihren Arm um Evies schmale Taille. „Hübsch siehst du heute Abend aus.“ Evies Haar war auf dem Kopf zu einem glänzenden roten Lockennest aufgetürmt und mit Perlennadeln festgesteckt. Reizend sahen die vielen goldenen Sommersprossen auf ihrer Nase aus – als ob eine Laune der Natur ein paar zusätzliche Sonnenlichter über sie ausgeschüttet hätte.
Fast schutzsuchend lehnte sich Evie an Annabelle. „Tante F…Florance behauptet, mit dieser Aufsteckfrisur sähe ich aus wie eine Leuchtfackel.“
„Deine Tante sieht ja selbst aus wie ein Kobold. Die soll sich mal schön mit solchen Bemerkungen zurückhalten“, schimpfte Daisy.
„Psst, Daisy“, warnte Lillian.
Annabelle ließ Evie nicht los. Nach alledem, was Evie ihr von der Tante erzählte hatte, schien es dieser herzlosen Frau ein teuflisches Vergnügen zu bereiten, das geringe Selbstbewusstsein ihrer Nichte gänzlich zu zerstören.
Nach dem frühen Tod von Evies Mutter hatte die Familie das unglückliche Kind in ihren Schoß aufgenommen …, und aufgrund der jahrelangen, ständigen Kritik war Evies Selbstvertrauen deutlich angeschlagen.
Evie sah die Bowman-Schwestern mit einem leicht amüsierten Lächeln an. „Sie ist kein Kobold, für mich ist sie eher ein T…Troll.“
Annabelle lachte über die witzige Antwort. „Ist dir Lord Kendali schon irgendwo begegnet?“, versuchte sie die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken. „Man hat mir gesagt, dass er einer der wenigen Junggesellen hier sein soll – und außer Lord Westcliff auch der einzige mit einem Titel.“
„Um Kendall wird es einen erbitterten Kampf geben“, meinte Lillian. „Zum Glück haben aber Daisy und ich einen Plan, wie wir dem ahnungslosen Junggesellen eine Falle stellen können.“ Sie bedeutete den Mädchen etwas näher zu kommen.
„Oh Gott, lass hören“, sagte Annabelle.
„Du verführst ihn. Wir drei tauchen ganz zufällig auf und überraschen euch in der kompromittierenden Situation.
Natürlich ist der Gentleman ein Ehrenmann und bittet dich um deine Hand.“
„Eine tolle Idee, was?“, fragte Daisy.
Evie blickte Annabelle zweifelnd an. „Ziemlich h…hin-terh…hältig, nicht wahr?“
„Ziemlich ist ja noch ein milder Ausdruck“, erwiderte Annabelle. „Aber leider fällt mir nichts Besseres ein. Dir etwa?“
„Nein“, gab Evie kopfschüttelnd zu. „Die Frage ist nur, suchen wir alle so verzweifelt einen Mann, dass wir uns solcher Mittel bedienen müssen – koste es, was es wolle?“
„Ich ja“, gestand Annabelle ohne Zögern.
„Wir auch“, erklärte Daisy fröhlich.
Evie blickte die drei unsicher an. „So einfach kann ich nicht alle Skrupel über Bord werfen. Eigentlich sollte es mir ja nichts ausmachen, einen Mann zu täuschen, damit er etwas tut, das …“
„Evie!“, unterbrach Lillian sie ungeduldig. „Die Männer wollen getäuscht werden. Nur dann sind sie glücklich.
Aufrichtigkeit hilft nicht. Die Vorstellung, sich auf ewig zu binden, macht ihnen solche Angst, dass keiner von ihnen jemals heiraten würde.“
Annabelle blickte die Mädchen mit gespielter Bestürzung an. „Ihr seid skrupellos.“
Lillian lächelte süßlich. „Angeboren. Die Bowmans sind von Natur aus skrupellos. Wenn es sein muss, sind wir sogar sadistisch.“
Lachend wandte sich Annabelle wieder an Evie, der man deutlich ansah, dass sie nicht recht wusste, was sie von der ganzen Sache halten sollte. „Evie“, begann Annabelle vorsichtig, „bislang haben wir immer versucht, auf dem Pfad der Tugend zu bleiben. Aber geholfen hat mir das nicht – also will ich jetzt einmal etwas Neues ausprobieren.
Du nicht auch?“
Evie nickte resignierend, obwohl sie immer noch nicht recht überzeugt schien.
„Das ist die richtige Einstellung“, machte ihr Annabelle Mut.
Die drei beratschlagten noch miteinander, bis plötzlich ein
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