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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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blauen Augen.
    Gähnend ging Annabelle zusammen mit ihrer Mutter zur Terrasse an der Rückseite des Herrenhauses. Um diese Uhrzeit schliefen die meisten Gäste von Stony Cross Park noch. Lediglich einige passionierte Angler, die Lachs fischen wollten, waren schon auf den Beinen. Eine kleine Gruppe saß auf der Terrasse beim Frühstück, während ihre Diener mit Angeln und Körben in gebührender Entfernung auf den Abmarsch warteten. Eine friedliche Szene, wenn ein für diese frühe Stunde ganz entsetzlicher Lärm sie nicht zerstört hätte.
    „Du meine Güte“, stöhnte Philippa, und Annabelle folgte den bestürzten Blicken ihrer Mutter zum anderen Ende der Terrasse. Eine Horde schwatzender, kreischender und sich wild in Pose werfender Mädchen war der Ursprung dieses Spektakels. Sie umringten etwas in ihrer Mitte, was für den Außenstehenden nicht zu erkennen war. „Was wollen die denn am frühen Morgen schon hier?“, fragte Philippa fassungslos.
    Annabelle seufzte resigniert. „Auf Treibjagd gehen!“
    Ungläubig starrte Philippa auf die lärmende Bande. „Willst du damit sagen …, glaubst du etwa …, dass sie Lord Kendall da umzingelt haben?“
    Annabelle nickte. „Und wie es aussieht, wird nicht viel von ihm übrig sein, wenn sie mit ihm fertig sind.“
    „Aber …, aber er wollte doch mit dir wandern gehen“, protestierte Philippa. „Mit dir ganz allein und mit mir als deiner Anstandsdame.“
    Als einige Mädchen Annabelle bemerkten, umringte die Gruppe ihre Beute noch enger, als wollten sie Kendall gegen Annabelle abschirmen. Annabelle schüttelte leicht den Kopf. Entweder war Kendall so dumm gewesen, jemandem von seiner Absicht zu erzählen, oder aber die Heiratswilligen waren so verzweifelt, dass Kendall sich – egal zu welcher Stunde – nicht einmal aus dem Zimmer wagen konnte, ohne dass eine Horde Frauen hinter ihm herlief.
    „Steh doch nicht hier herum“, drängte Philippa. „Misch dich unter die Mädchen, versuche, ihn auf dich aufmerksam zu machen.“
    Annabelle warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Einige der Mädchen sehen recht wild aus. Ich lass mich doch nicht beißen.“
    Hinter sich hörte sie ein unterdrücktes Lachen und drehte sich um. Eigentlich hätte sie es sich denken können: Simon Hunt lehnte an der Terrassenbrüstung. Die Kaffeetasse, aus der er gemächlich trank, verschwand fast in seinen großen Händen. Er war gekleidet wie die übrigen Angler, trug einen Anzug aus Tweed und Köper und ein verwaschenes Leinenhemd mit offenem Kragen. Der spöttische Glanz in seinen Augen verriet sein deutliches Interesse an der Situation.
    Ohne nachzudenken, ging Annabelle zu ihm hinüber. Ein paar Schritte von ihm entfernt blieb sie stehen, stützte sich mit beiden Armen auf die Brüstung und schaute in die nebelverhangene morgendliche Landschaft. Hunt lehnte mit dem Rücken gegen die Balustrade und blickte auf die Hauswand.
    „Lord Kendall und Lord Westcliff sind doch nicht die einzigen Junggesellen auf Stony Cross Park, Mr. Hunt.
    Warum sind Sie eigentlich nicht einer derartigen Verfolgung ausgesetzt wie die beiden?“, versuchte sie seine irritierende Selbstsicherheit zu untergraben.
    „Das ist doch klar!“, erwiderte er freundlich, führte die Tasse an die Lippen und leerte sie. „Ich bin kein Aristokrat und wäre als Ehemann ein Scheusal.“ Er sah sie scharf von der Seite an. „Und Ihnen – trotz allem Verständnis für Ihren Fall – würde ich nicht raten, sich Hoffnungen auf Kendall zu machen.“
    „Meinen Fall?“, wiederholte Annabelle beleidigt. „Was meinen Sie denn damit, Mr. Hunt?“
    „Sie selbst natürlich“, sagte er ruhig. „Sie wünschen sich das Beste für Annabelle Peyton. Aber dazu gehört Kendall nicht. Eine Verbindung zwischen Ihnen beiden wäre eine Katastrophe.“
    Annabelle drehte sich zu ihm um und sah ihn mit großen Augen an. „Warum?“
    „Weil er viel zu nett für Sie ist.“ Hunt lächelte über ihr Mienenspiel. „Das sollte keine Beleidigung sein. Ich würde Sie bestimmt nicht so gut leiden mögen, wenn Sie nur ein liebes, junges Mädchen wären. Nichtsdestotrotz, Sie passen nicht zu Kendall, und er nicht zu Ihnen. Sie würden ihn unterbuttern und so lange kleinhalten, bis die arme Seele wie ein Häufchen Elend zu Ihren Füßen liegt.“
    Annabelle juckte es in den Fingern, ihm das überhebliche Lächeln aus dem Gesicht zu ohrfeigen. Sie, die niemals daran gedacht hatte, jemandem physische Gewalt anzutun. Die Tatsache, dass

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