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Geheimnisse einer Sommernacht

Geheimnisse einer Sommernacht

Titel: Geheimnisse einer Sommernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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beobachtet hat. Die beiden standen hinter einem Baum und …“ Annabelle schwieg beredt. „Ach, ich hätte das nicht erwähnen sollen. Vielleicht war ja alles nur ein Missverständnis. Was wissen wir denn schon, wenn wir gar nicht dabei gewesen sind, nicht wahr?“
    Sie nahm ihre Teetasse, und während sie geziert ein paar Schlückchen nippte, beobachtete sie Kendall über den Tassenrand. Es war leicht, seine Gedanken zu lesen: Er konnte nicht glauben, dass man Lady Constance in einer kompromittierenden Situation überrascht hatte. Allein die Vorstellung schien ihn schon zu beunruhigen, aber als echter Gentleman würde er dieser Angelegenheit niemals auf den Grund gehen. Er würde Lady Constance nicht fragen, ob Muxlow sie wirklich kompromittiert hätte. Er würde schweigen und versuchen, seinen Argwohn zu ignorieren. Aber die Ungewissheit würde an ihm nagen.
    Am Nachmittag trafen sich die vier Mauerblümchen in Evies Schlafzimmer. „Annabelle!“, rief Evie erschrocken, als Annabelle ihren schmutzigen Trick eingestand. Evie, deren Gesicht dick mit einer weißen Paste gegen ihre Sommersprossen eingekremt war, starrte die Freundin an und suchte nach Worten – was ihr jedes Mal schwerfiel –, um ihrer Missbilligung Ausdruck zu geben.
    „Eine brillante Strategie“, erklärte Lillian, die am Schminktisch saß und sich die Nägel feilte. Es war nicht ganz klar, ob sie Annabelles Vorgehen wirklich guthieß. Allerdings bezweifelte niemand, dass Lillian auch jetzt zu der Freundin halten würde, bis zum bitteren Ende. „Annabelle hat ja nicht wirklich gelogen. Sie hat nur wiedergegeben, was man ihr erzählt hat, ein Gerücht. Wenn Kendall das anders sieht, ist das seine Sache.“
    „Aber dass das Gerücht j…jeglicher Grundlage entbehrt, hat Annabelle ihm nicht gesagt“, widersprach Evie.
    Lillian konzentrierte sich auf ihre Nägel. „Ach, sie hat jedenfalls nicht gelogen.“
    Annabelle, der es nicht ganz wohl in ihrer Haut war, blickte Hilfe suchend zu Daisy. „Und was meinst du?“
    Die jüngere Bowman-Schwester, die die ganze Zeit grim mig den Schlagball von einer Hand in die andere geworfen hatte, maß Annabelle mit einem leicht verärgerten Blick. „Ich finde, Halbwahrheiten sind ebenso schlimm wie Lügen. Du hast dich auf einen schlüpfrigen Pfad begeben, liebe Annabelle. Du musst aufpassen.“
    „Ach, Daisy, nun hör aber auf. Du klingst ja wie eine drittklassige Wahrsagerin“, schimpfte Lillian. „Wenn Annabelle erst einmal am Ziel ihrer Wünsche ist, fragt keiner danach, wie sie dahin gekommen ist. Was zählt, ist das Ergebnis. Und du, Evie, hör auf mit dieser ethischen Haarspalterei. Du hast zugestimmt, dass wir Lord Kendall in ein kompromittierende Situation bringen, hältst du das für weniger schlimm als Annabelles haltloses Gerücht?“
    „Wir waren uns aber alle einig, dass wir niemandem wehtun wollen“, erwiderte Evie, nahm ein Tuch und wischte sich die Bleichcreme aus dem Gesicht.
    „Niemand hat Lady Constance wehgetan“, behauptete Lillian. „Sie liebt Kendall doch gar nicht. Sie ist nur hinter ihm her, weil er am Ende der Saison der einzige noch passable Junggeselle ist. Meine Güte, Evie, schaff dir eine dickere Haut an. Ist Lady Constance etwa schlechter dran als wir? Schau uns an … vier Mauerblümchen, die nichts vorzuweisen haben als Sommersprossen und einen Vipernbiss und die beschämende Tatsache, dass Lord Westcliff uns in Unterwäsche gesehen hat.“
    Annabelle ließ sich rücklings auf das Vierpfostenbett fallen. Voller Schuldgefühle starrte sie in den gestreiften Betthimmel. Das Ziel rechtfertigt die Mittel, das war Lillians Parole. Obwohl Annabelle sich sehr wünschte, etwas von dieser Kaltblütigkeit zu besitzen, nahm sie sich dennoch vor, sich in Zukunft streng an die Regeln zu halten.
    Trotzdem, wie Lillian bereits gesagt hatte, Lord Kendall musste selbst entscheiden, ob er dem Gerücht glauben wollte öder nicht. Annabelle hatte nur die Saat gesät, nun lag es allein an ihm, ob sie auch aufging.
    Am Abend trug Annabelle ein hellrosafarbenes Abendkleid mit duftigen Volants aus transparenter Gaze. Ihre Mitte war mit einer Seidenschärpe zu einer Wespentaille geschnürt, die eine riesige weiße Rose schmückte. Ihre Röcke raschelten bei jedem Schritt. Wie eine Prinzessin fühlte sie sich. Da es Annabelle zu lange dauerte, bis ihre Mutter endlich mit ihrer Garderobe fertig war, verließ sie allein das Zimmer. Sie hoffte, ihre Freundinnen zu treffen oder, mit etwas

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