Geheimnisse einer Sommernacht
geistreiche noch eine lustige Erklärung ein. „Ich … will das nicht“, brachte sie so unverblümt heraus, dass es fast beleidigend klang.
„Das?“
„Ich will nicht Ihre Geliebte werden.“ Sie zögerte einen Moment, und dann fügte sie ganz leise hinzu: „Es gibt Besseres für mich.“
Hunt schwieg. Seine Hände lagen immer noch auf ihrer Taille. Er schien zu überlegen, was er sagen sollte.
„Glauben Sie, Sie könnten jemanden finden, der sie heiratet?“, fragte er schließlich. „Oder wollen Sie nur die Geliebte eines Adligen werden?“
„Das ist doch egal, oder nicht?“, wisperte Annabelle und rückte deutlich von ihm ab. „Weder das eine noch das andere betrifft Sie.“
Sie wagte nicht, ihn anzuschauen, aber sie spürte seinen kalten Blick. „Ich bringe Sie zurück zu Ihrem Zimmer“, sagte Hunt tonlos und begleitete sie zur Tür.
16. KAPITEL
Als Annabelle sich am folgenden Morgen wieder unter die übrigen Gäste mischte, stellte sie fest, dass ihr der Vipernbiss allseitige Sympathie eingetragen hatte. Auch Lord Kendall, der Annabelle beim Frühstück auf der Terrasse Gesellschaft leistete, schien sehr besorgt. Er bestand darauf, Annabelle den Teller zu halten, während sie vom Büffet verschiedene Kleinigkeiten auswählte, und er sorgte dafür, dass ein Diener sofort ihr Wasserglas wieder füllte, sobald es leer war. Auf gleiche Weise umsorgte er allerdings auch Lady Constance Darowby, die sich zu ihnen an den Tisch setzte.
Annabelle erinnerte sich an die Bemerkung der Mauerblümchen und nahm den Konkurrenzkampf auf. Kendall schien deutlich interessiert an dem Mädchen, das sich still und zurückhaltend verhielt. Sie war sehr schlank und eng geschnürt, so wie es zurzeit Mode war. Daisy hatte recht, Lady Constance hatte einen schiefen Mund, den sie ständig zu Ohs und Ahs verzog, sobald Kendall irgendeine Bemerkung über den Gartenbau machte.
„Wie schrecklich“, bedauerte Lady Constance Annabelle, als sie die Geschichte vom Vipernbiss hörte. „Ein Wunder, dass Sie nicht gestorben sind.“ Trotz des engelhaft unschuldigen Blicks bemerkte Annabelle doch das kalte Glitzern in den hellblauen Augen. Es war ihr klar, was das Mädchen eigentlich dachte.
„Mir geht es wieder gut“, wandte sich Annabelle lächelnd an Kendall. „Und ich freue mich richtig auf einen neuerlichen Waldspaziergang.
„An Ihrer Stelle würde ich mich nicht sofort so überanstrengen, Miss Peyton“, mahnte Lady Constance zur Vorsicht.
„Im Moment sind Sie ja, wie man sieht, bestimmt noch nicht ganz gesund. In ein paar Tagen werden Sie sicherlich nicht mehr so blass und leidend aussehen.“
Annabelle verlor nicht ihr freundliches Lächeln, ließ sich nicht anmerken, wie sehr sie die Äußerung kränkte, ja, sie verkniff sich sogar eine böse Bemerkung über den Pickel auf Lady Constances Stirn.
„Oh, da sehe ich frische Erdbeeren“, säuselte Lady Constance und erhob sich. „Entschuldigen Sie mich einen Moment, ich bin gleich zurück.“
„Lassen Sie sich nur Zeit. Wir werden Sie bestimmt nicht vermissen“, antwortete Annabelle mit ausgesuchter Höflichkeit.
Annabelle und Kendall beobachteten, wie Lady Constanc zum Buffet schwebte, an dem sich, wie es der Zufall wollte, auch Mr. Benjamin Muxlow gerade bediente. Zuvorkommend ließ er Lady Constance den Vortritt und hielt ihr den Teller, während sie sich aus der großen Schale einige Erdbeeren auswählte. Das alles sah nach einer herzlichen Freundschaft aus, hätte sich Annabelle nicht an die Geschichte erinnert, die Daisy erzählt hatte.
Und dann kam Annabelle eine Idee, wie sie die Konkurrentin auf perfekte Weise aus dem Weg räumen konnte.
Bevor sie an die Konsequenzen dachte, bevor ihr moralische Bedenken kamen, beugte sie sich zu Lord Kendall.
„Die beiden können sich ganz gut verstellen, nicht wahr?“, flüsterte sie ihm mit einem bedeutungsvollen Blick auf Lady Constance und Muxlow zu. „Natürlich wäre es für beide unangenehm, wenn ihre Affäre bekannt würde …“
Sie hielt inne und machte auf erschrocken, als sie Kendalls ratloses Mienenspiel sah. „Oh je, oh je …, ich dachte, Sie hätten schon davon gehört.“
Kendall runzelte irritiert die Stirn. „Gehört? Wovon?“, fragte er argwöhnisch.
„Na ja, normalerweise mag ich ja keinen Klatsch … Aber ich weiß aus sicherer Quelle, dass an dem Tag, als das Picknick am Fluss stattfand, man Lady Constance und Mr. Muxlow in einer äußerst kompromittierenden Situation
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