Geheimnisvoll und unwiderstehlich
Stress nicht durchstehen.
Gestern hatte sie Hal den zweiten Schlüssel zum Atelier gegeben. Er konnte also kommen und gehen, wie er wollte. Und das irritierte Mimi. Sie war es einfach nicht gewöhnt, ihre privaten Räume mit jemandem zu teilen.
Der einzige Mensch, mit dem sie je ein Zimmer geteilt hatte, war ihre Mutter gewesen, und das auch erst, nachdem sie begonnen hatte, im Schlaf zu wandeln.
Hal Langdon war ihr erster Hausgast. Und sie hatte keine Ahnung, was das genau bedeutete. Erwartete er etwa, dass sie für ihn kochen oder sich um sein Team kümmern würde?
Bestimmt war dies der Grund für ihre Nervosität – die ungeklärte Situation in ihrem Haus. Ja, das musste es sein. Mit Sicherheit hatte es nichts damit zu tun, dass der unglaublich attraktive, männliche, faszinierende und zum Küssen einladende Hal Langdon den Rest der Woche bei ihr wohnen und mit ihr im Atelier arbeiten würde.
Schon jetzt wusste sie eins – mit ihrer normalen Ruhe und der Ordnung in ihrem Leben war es vorbei.
Mimi lehnte sich nach vorn und stützte den Kopf aufstöhnend zwischen die Hände.
Das alles war ganz allein ihre Schuld.
Sie war diejenige, die vorgeschlagen hatte, dass Langdon Events ihr Atelier mieten sollten. Und um ganz ehrlich zu sein – natürlich war der Grund nicht die Miete gewesen, obwohl sie das zusätzliche Geld gut gebrauchen konnte. Nein, es hatte etwas mit ihrer Angst zu tun, nicht jeden Aspekt der Modenschau, einschließlich der Organisation, mit kontrollieren zu können.
Sie hob den Kopf, und ihr Blick fiel auf das gerahmte Foto ihrer Mutter.
Schau nur, was für ein Chaos ich angerichtet habe, Mum.
Aber außer dem lauten Ticken der Uhr war nichts zu vernehmen. Jetzt erklangen auch die ersten Vogelstimmen, und das erste Morgenlicht streifte die Baumkronen. Mit der Sonne kehrten Hoffnung und Energie in Mimis Herz zurück.
Sie spürte, dass sie es schaffen konnte. Sie konnte frühstücken und so tun, als wäre dies ein ganz normaler Sonntag. Und dann würde sie sich ihr Projekt vornehmen – genau so, wie Hal vorgeschlagen hatte, nämlich Schritt für Schritt. Genau wie immer.
Bis auf die Tatsache, dass nichts wie immer war. Nichts war normal.
Es fing schon damit an, dass Hal Langdon höchstwahrscheinlich nur ein paar Meter entfernt von ihr in seinem Bett lag.
Mimi verbot sich energisch, diesem verlockenden Gedanken noch länger nachzuhängen. Sie suchte nach den Listen mit den Arbeiten, die heute noch zu erledigen waren, konnte sie jedoch nicht finden. Wahrscheinlich hatte sie sie unten im Atelier auf dem Schreibtisch neben dem Computer liegen lassen. Gestern Abend hatte sie dort nämlich auch den Katalogentwurf für die Show ausgedruckt, den Poppy ihr geschickt hatte.
Mist! Spätestens Dienstagmorgen musste der Katalog beim Drucker sein. Er war noch längst nicht fertig, auch ohne die Fotos der beiden Abendkleider. Sie würde ihn wohl oder übel holen müssen.
Mimi zog den Vorhang zur Seite und sah hinunter auf die Terrasse. Von Hal war keine Spur zu erblicken.
Dann konnte sie sich wahrscheinlich auch ins Atelier wagen. Es war höchst unwahrscheinlich, dass er am Sonntagmorgen vor sieben Uhr aufstehen würde. Wenn sie ganz leise war, würde sie ihn bestimmt nicht aufwecken. Am besten, sie ging sofort hinunter und holte sich den Katalog, auch wenn sie noch im Pyjama war.
Nachdem Mimi die Treppe hinuntergegangen war und über die Terrasse zum Atelier eilte, vergewisserte sie sich, dass sie von niemandem beobachtet wurde. Dann merkte sie, wie absurd dieser Gedanke war. Schließlich war dies ihr Haus!
Trotzdem schlich sie auf Zehenspitzen zur Tür, die ins Atelier führte, und öffnete sie vorsichtig. Alles blieb still.
Dadurch ein wenig ermutigt, betrat sie den Raum und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Der Raumteiler war entfernt worden, und sie konnte Hal Langdons improvisiertes Schlafzimmer sehen.
Mimis Neugier war stärker als ihre Angst, entdeckt zu werden, und sie trat näher. Der kleine, abgetrennte Bereich war weniger chaotisch, als sie gedacht hatte. Auf der Matratze lag ein etwas abgenutzter Schlafsack. In einer Ecke neben dem Bett stand ein großer Rucksack. Auf dem kleinen Tisch erblickte sie einen Laptop, ein Notizbuch und mehrere Stifte. Am Boden neben der anderen Seite des Betts entdeckte sie seine Kameratasche, daneben standen seine Schuhe und – säuberlich aufgestapelt – Jeans, die Lederjacke, die Armbanduhr und das Handy. Und noch etwas – seine
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