Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
zu gehen?“
„Es ist wirklich ein wenig kühl“, stimmte sie zu. Ihre Rastlosigkeit hatte sie nach draußen getrieben, aber das wollte sie ihm nicht so deutlich zu verstehen geben.
„Sollen wir ins Haus zurückkehren?“, fragte er und bot ihr seinen Arm an. „Ich habe Neuigkeiten. Wir haben einen Brief von Queen Elizabeth erhalten. Es scheint, als hätte sie von uns gehört und einiges von dem, was uns widerfahren ist. Sie wünscht mehr über die Schlacht von Lepanto zu erfahren.“
In dem Schreiben bekundete sie auch Interesse an Lorenzos Person, denn die englische Königin schien weiterhin vernommen zu haben, dass Korsaren ihn an ihrer Küste geraubt hatten – und solche Angelegenheiten weckten stets ihre Aufmerksamkeit. Es hieß auch, dass sie mit Vorliebe mutige und gut aussehende junge Männer um sich scharte.
Kathryn spürte, wie ihr kalt ums Herz wurde. Würde er sie noch einmal verlassen? „Du willst also an den Hof gehen?“
„Wir werden zusammen dort hingehen, Kathryn. Allmählich sollte ich etwas mehr Zeit darauf verwenden, für das Vergnügen meiner Gemahlin zu sorgen. Wir werden in London einige hübsche Sachen für dich kaufen. Vielleicht hättest du gerne einen Ring oder eine Perlenkette? Ich habe dir bisher selten Geschenke gemacht. Es fanden sich kaum Gelegenheiten dafür.“
Kathryn blickte ihm in die Augen und versuchte zu erkennen, was diese neue Stimmung zu bedeuten hatte. Wusste er nicht, dass seine Liebe das wertvollste Geschenk war, das er ihr hätte machen können? Sonst mangelte es ihr an nichts.
„Du warst immer großzügig, Lorenzo. Mir fehlte es nie an materiellen Dingen.“
„Aber ich gab dir sonst nichts. Willst du das damit sagen, Kathryn?“
„Eine Zeit lang gabst du mir mehr.“
„Kathryn …“ Er wurde von der Ankunft eines Dieners unterbrochen, der auf das Paar zugeeilt kam und offensichtlich eine dringende Botschaft brachte.
„Was gibt es denn?“ Lorenzo war ungeduldig, denn er glaubte, dass es ihm gerade gelingen konnte, die Mauer zwischen ihnen zu durchbrechen.
„Eine Botschaft für Lady Kathryn, Sir“, sagte der Diener. „Sir John, ihr Vater, liegt schwer krank danieder und möchte seine Tochter vor seinem Tode noch einmal sprechen.“
„Vor seinem Tode?“ Kathryn blickte ihren Mann erschrocken an. „Was ist geschehen? Er schien mir nicht gesundheitlich angegriffen zu sein, als wir fortgingen.“
„Wir werden sofort zurückkehren“, verkündete Lorenzo, als er sah, wie sich ihre Miene betrübt hatte. „Sorge dich nicht, meine Liebste. Ich bin mir sicher, dass es schlimmer scheint, als es in Wirklichkeit ist.“
Er hatte sie seine Liebste genannt – und das in solch einem Tonfall! Kathryn schlug das Herz bis zum Hals. Aber im Augenblick durfte sie nicht an sich denken. Ihr Vater war nicht gesund, und sie musste zu ihm eilen.
Tränen standen ihr in den Augen, als sie sich von Lorenzo rasch ins Haus führen ließ. Sie war in den Wochen in ihrem Elternhaus nicht glücklich gewesen, denn der alte Herr war ihr nicht mehr wie der fürsorgliche und zärtliche Vater erschienen, den sie gekannt und geliebt hatte. Aber der Gedanke, dass er sterben könnte, solange es böses Blut zwischen ihnen gab, war ihr unerträglich.
Sir John lag mit geschlossenen Lidern da, als Kathryn den Raum betrat. Als sie auf sein Bett zuging, öffnete er die Augen und blickte sie an.
„Kathryn, mein geliebtes Kind – vergib mir.“
„Vater …“ Sie war den Tränen nahe, obwohl sie sich sehr bemühte, sie zurückzuhalten. „Es gibt nichts zu vergeben. Ich liebe dich.“
„Ich war unnachgiebig zu dir“, sagte er, und seine Stimme war nur wenig mehr als ein Flüstern. Sie trat an seine Seite und ergriff seine Hand, um sie sanft in die eigene zu nehmen. „Ich wollte doch nur dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist, wenn ich nicht mehr da bin. Ich hatte Angst um dich, falls ich sterben sollte, bevor du verheiratet bist.“
„Du darfst nicht sterben, Vater. Ich liebe dich. Ich will nicht, dass du stirbst.“
„Ich wusste bereits seit einigen Monaten, dass ich nicht mehr lange zu leben habe, mein liebstes Kind. Das ist der Grund, warum ich dich dazu gedrängt habe, mit mir nach Hause zu kommen. Ich konnte dich nicht alleine und wehrlos in Rom zurücklassen, und ich glaubte, wenn ich dich sicher mit einem guten Mann verheiratet wüsste, könnte ich in Frieden sterben. Du hättest im Haus deines Bruders bleiben können, aber das wäre kein Leben für dich.
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