Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
Kathryn war erschüttert und verletzt. Er hatte sie schon einmal so angesehen wie in diesem Moment – als ob er sie hasste. Er gab ihr die Schuld an dem, was ihm zugestoßen war. „Mein Vater sagte, dass ich wieder heiraten muss. Ich wollte es nicht. Aber Michael versprach, dass er Geduld haben würde …“ Sie stockte, als sie die Wut in seinen Augen sah. Er war so furchtbar ärgerlich! „Er bat mich, ihn zu heiraten – zunächst sollte es jedoch nur eine Ehe auf dem Papier sein. Ich antwortete ihm, dass ich Zeit zum Nachdenken benötige.“
„Du kannst nicht tatsächlich glauben, dass er das ernst meinte?“ Lorenzos Stimme traf sie wie ein Peitschenhieb. „Er würde alles tun, um dich zu bekommen – und zwar so, wie ein Mann seine Frau will. So, wie ich dich will, Kathryn.“ Der Zorn in seinen Augen ließ sie am ganzen Körper erschauern.
„Ich wollte nicht noch einmal heiraten.“
„Und doch hättest du dich dazu überreden lassen, wenn ich nicht zurückgekehrt wäre. Ich hatte deine Liebe für stärker gehalten, Kathryn.“
„Das ist sie“, entgegnete sie. Er musste ihr einfach glauben! Sie blickte ihn flehentlich und voller Verzweiflung an. „Du weißt, dass ich dich liebe. Ich habe dich immer geliebt.“
„Auch, als wir Kinder waren?“, fragte er. „Du hast deinen armen Dickon vergessen, als du dich in Lorenzo verliebt hast. Und du hättest ihn ebenso schnell wieder vergessen, wenn Michael erst dein Ehemann gewesen wäre.“
Der Vorwurf in seinen Worten traf sie tief, aber er war ungerecht. „Das ist nicht wahr! Du weißt, dass es nicht wahr ist, Lorenzo. Ich gehöre dir. Ich habe immer nur dir gehört.“
„Ja, du gehörst mir, so viel ist sicher.“ Er stand von dem Stuhl neben ihrem Bett auf. Sie blickte ihn ängstlich an.
„Bitte verlass mich nicht!“
„Du musst dich ausruhen. Wir werden ein anderes Mal reden. Jetzt werde ich deine Zofen holen, damit sie sich um dich kümmern. Morgen früh brechen wir nach Mountfitchet auf.“ Sein Blick war kalt und distanziert. „Wir sind verheiratet, Kathryn, auch wenn es deinem Vater nicht gefällt. Ich verzichte nicht auf das, was mir gehört, und ich vergebe nicht leicht.“
Kathryn blickte ihm nach, als er den Raum verließ. Er bestand darauf, dass sie mit ihm kam, doch zugleich war er wütend auf sie. Er gab ihr die Schuld an seiner Gefangennahme, weil seine Liebe zu ihr ihn unachtsam gemacht hatte. Folglich hatte er beschlossen, sich wieder von ihr zurückzuziehen.
Sie hatte sich nach ihm gesehnt, gebetet, dass er zurückkehrte, und gehofft, dass er allen Widrigkeiten zum Trotz am Leben war. Doch nun, da er wieder bei ihr war, hatte er die Tür verriegelt und sie erneut ausgesperrt. Es konnte nur bedeuten, dass er sie nicht mehr liebte.
Der Ritt nach Mountfitchet Hall dauerte nur einen halben Tag. Es war winterlich kalt und ihnen wehte immer wieder Schnee ins Gesicht, der aber noch nicht auf dem Boden liegen blieb. Kathryn ritt an der Seite ihres Gemahls und blickte von Zeit zu Zeit zu ihm hinüber. Seine strengen Gesichtszüge wurden nicht weicher. Zwei ihrer Dienerinnen und zehn von Lorenzos eigenen Männern begleiteten sie.
Als sie Mountfitchet erreichten, fiel ihr im Nachhinein auf, dass Lorenzo genau wusste, welcher Weg zu nehmen war. Sie fragte sich, ob er das Anwesen bereits aufgesucht hatte, bevor er zum Haus ihres Vaters gekommen war.
Erwartungsvoll wurden sie von Lord Mountfitchets Dienstboten begrüßt. Die Dienerschaft behandelte ihn voller Respekt, schien hocherfreut zu sein, ihn zu sehen.
„Warst du schon einmal hier, bevor du zu meinem Vater gekommen bist?“, fragte sie ihn, als sie alle begrüßt hatten und sich alleine in dem kleinen Salon befanden, der rechts von der Eingangshalle lag.
„Nein, ich bin direkt zu dir geeilt. Warum fragst du?“
„Du wirkst hier so heimisch.“
„Dieser Ort war fünfzehn Jahre lang mein Zuhause, Kathryn.“ Sein Blick ruhte eindringlich auf ihrem Gesicht, aber er wirkte nicht mehr so abweisend wie am Abend zuvor.
Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. „Hast du dein Gedächtnis wiedergefunden? Charles sagte uns, dass du einige verschwommene Erinnerungen hast. Aber du scheinst dir so sicher zu sein …“
„Ich erinnere mich an alles, Kathryn. Genau wie es passiert ist.“
„Du erinnerst dich an jenen Tag am Strand – an die Männer, die dich raubten?“ Er nickte. „Hasst du mich für das, was dir damals zustieß?“
„Warum sollte ich dich hassen?“ Er
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