Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
mich betrifft, so würde ich Euer Gold nehmen“, erwiderte Lorenzo. Sein Gesicht war eine steinerne Maske, die nichts über seine Gedanken verriet. „Aber ich kann nicht von meinen Männern erwarten, für einen Spanier zu kämpfen.“ Er stand auf und neigte den Kopf. „Es tut mir leid, aber ich glaube, Ihr werdet andere finden, die bereit sind, Euch zu helfen.“
„Ihr könnt Euren Preis selbst bestimmen.“ Don Pablo rief ihm die Worte hinterher. Er schien verzweifelt zu sein. „Ich flehe Euch an, mir zu helfen, Signore!“
„Meine Antwort bleibt die gleiche, Don Pablo.“ Lorenzo wandte sich um und blickte ihn mit kalter Entschlossenheit an. Jetzt war er sich sicher, dass sein Gespür ihn nicht getäuscht hatte. Dies war nicht einfach nur eine geschäftliche Angelegenheit. „Wenn Ihr Euch dazu entschließen solltet, mir die Wahrheit zu sagen, könnte ich es mir noch einmal überlegen, Señor – doch bis dahin, lebt wohl.“
Die Augen des Spaniers spiegelten eine Mischung aus Angst und Entsetzen wider, und einen Augenblick lang schien es, als wollte er sprechen. Doch er schüttelte nur den Kopf, und kurz darauf hatte Lorenzo bereits die Tür hinter sich geschlossen.
Seine Instinkte hatten ihm wie immer gute Dienste geleistet. Er vermutete, dass die Attacke auf ihn geplant gewesen war. Eine List, um Dominicus dankbar zu sein – damit Lorenzo in freundschaftlicher Verbundenheit den angebotenen Auftrag annahm. Lorenzo hatte in einer harten Schule gelernt, dass nur wenigen Männern zu trauen war.
Hinter diesem Spiel steckte mehr, als auf Anhieb zu erkennen war, und es war auf alle Fälle ein falsches Spiel. Wenn seine Feinde ihm eine Falle stellen wollten, so mussten sie den Köder schon geschickter auslegen.
2. KAPITEL
Das war also Venedig! Kathryn sah sich gespannt um, als das Schiff in der großen Lagune vor Anker ging. Sie waren zu weit außerhalb, um die Küste genau erkennen zu können, aber die großen Paläste der reichen Händler und Adligen glänzten im Licht der Sonne, und das Wasser des Adriatischen Meeres schwappte über die Stufen, neben denen an Holzpfählen leuchtend bunte Gondeln vertäut waren.
„Wie gefällt dir Venedig, mein Kind?“, fragte Lady Mary, als sie neben das Mädchen trat. „Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?“
„Es ist wunderschön. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Ich habe ein Pastell vom Canale Grande und den umliegenden Palazzi gesehen. Aber die Wirklichkeit übertrifft die Vorstellungskraft des Künstlers bei Weitem. Diese Paläste scheinen beinahe zu schwimmen.“
Lady Mary lachte. Sie war eine kräftig gebaute, gutmütige Dame, die in ihrer Jugend hübsch ausgesehen haben musste – noch jetzt waren ihre schönen Gesichtszüge zu erkennen. Ihr warmes Lächeln war voller Zuneigung, hatte sie Kathryn während der Reise doch sehr ins Herz geschlossen. Einige Monate waren sie schon miteinander unterwegs, hatten zusammen das Jahr 1571 erlebt, und inzwischen war der Frühling gekommen. In England, davon konnte man ausgehen, herrschten sicherlich noch sehr kühle Temperaturen, aber hier war es viel wärmer, und die Sonne färbte das Wasser leuchtend blau.
„Ja, die Stadt übt eine magische Anziehungskraft aus, nicht wahr? Mein verstorbener Gemahl ist in seiner Jugend mit Begeisterung gereist. Er erzählte mir von seinem Besuch in Venedig. Wir müssen unbedingt den Markusplatz besuchen und uns den Dogenpalast ansehen, während dein Onkel seinen Geschäften nachgeht, Kathryn.“
Sie hatten beschlossen, dass Kathryn ihre liebenswürdigen Freunde als Tante Mary und Onkel Charles betrachten sollte.
„Wir mögen keine Blutsverwandten sein“, hatte Charles Mountfitchet ihr zu Beginn ihrer gemeinsamen Reise mitgeteilt, als sie sich in London auf den Weg machten, um Lady Mary zu treffen. „Aber wir werden einige Zeit lang wie eine Familie zusammenleben, und aus diesem Grund sollten wir uns miteinander wohlfühlen.“
Kathryn war sehr gern dazu bereit gewesen, ihn als Onkel ehrenhalber anzunehmen, denn sie fühlte sich ihm schon seit Kindertagen eng verbunden. Und in all den Jahren nach Dickons Entführung hatten sie sich gegenseitig Trost gespendet. Sie liebte ihn mehr als sonst jemanden, abgesehen von ihrem Vater und ihrem Bruder.
„Oh, ich will alles mit Euch teilen“, sagte sie jetzt. Ihre Augen glühten vor Begeisterung, und es war ihr anzusehen, dass sie derartige gemeinsame Erlebnisse vermisst hatte. Schon während der Überfahrt leuchteten ihre
Weitere Kostenlose Bücher