Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
kaum verbergen, wartete doch auch sie auf aktuelle Meldungen.
„Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise, Sir?“ Lorenzo erhob sich, um seinem Besucher entgegenzutreten. Er hatte einen der kleineren Salons rechts von der großen Eingangshalle gewählt, um seinen Gast zu empfangen, denn der Raum war anheimelnder und trug zu einer persönlichen Atmosphäre bei. „Es ist mir eine Freude, Euch endlich kennenzulernen, Lord Mountfitchet.“
Seine Worte klangen offen und ehrlich. Er ließ seinen Blick über den älteren Mann wandern und stellte fest, dass er sich auf eine Art und Weise zu ihm hingezogen fühlte, wie es unter Fremden nicht oft vorkam. Er sah Spuren von Leid im Antlitz des anderen, graues Haar an seinen Schläfen und in seinem Bart. Es war ein Gesicht, das vor seiner Zeit alt geworden war, das Gesicht eines Mannes, der große Trauer empfunden hatte. Aus irgendeinem Grund stimmte sein Leid Lorenzo leicht schwermütig, obwohl der Mann für ihn ein Fremder war.
„Kommt, Sir, wollt Ihr nicht ein Glas Wein mit mir trinken? Bitte, setzt Euch.“ Er deutete auf den bequemsten Stuhl im Salon, einer in England unüblichen Art von Sessel mit einem gut gepolsterten Sitz und einem komfortablen, niedrigen Rücken, der so geformt war, dass ein Mann bequem Platz darin hatte. „Ich vermute, Ihr seid müde von der Reise?“
„In der Tat, ein Glas Wein wäre mir sehr genehm, Signor Santorini“, erwiderte Charles Mountfitchet, als er seinen Platz einnahm. „Meine Schwester und meine Nichte wollten, dass ich sie in unsere Unterkunft begleite und erst einen Tag ausruhe, aber ich konnte es nicht erwarten, mich mit Euch zu treffen.“
„Unglücklicherweise habe ich keine Neuigkeiten von Eurem Sohn“, sagte Lorenzo. „Aber es gibt einen Mann, den ich Euch gern vorstellen würde, Sir. Er wurde vor zwei Monaten von einer Korsarengaleere befreit, doch bislang war er zu krank, um befragt zu werden. Wir glauben, dass er Engländer sein könnte, obwohl er noch kaum ein Wort gesprochen hat.“
„Wie sieht er aus?“, fragte Charles. Er war kaum in der Lage, seine Aufregung zu verbergen. „Welche Farbe haben sein Haar und seine Augen?“
„Welche Farbe hatte das Haar Eures Sohnes? Hatte er irgendwelche besonderen Merkmale?“ Lorenzo Santorini wollte eine Beschreibung von Lord Mountfitchet.
Charles dachte einen Augenblick lang nach. „Es schmerzt mich, das zu sagen, aber ich habe Richards Gesicht nicht mehr vor Augen. Sein Haar war hell – dunkler als das Eure, aber von ähnlicher Beschaffenheit. Seine Augen waren blau …“ Er runzelte die Stirn. „Meine Beschreibung würde auf tausend Männer passen. Ich fürchte, ich helfe Euch nur wenig, Sir. Aber so leid es mir tut, das zuzugeben, ich verbrachte nur wenig Zeit mit meinem Sohn, als er jung war. Er war da, und ich nahm mein Glück als selbstverständlich hin. Erst als ich ihn verlor, verstand ich, was er mir bedeutet hat.“ Seine Stimme brach, als er von seinen Gefühlen überwältigt wurde.
„Ja, ich glaube, so ist es oft“, antwortete Lorenzo. Er war sich nicht sicher, warum Lord Mountfitchets Geschichte ihn so berührte, denn er neigte nicht zu Sentimentalität. „Wir alle nehmen das, was wir haben, als selbstverständlich hin. Mein Vater starb vor einigen Monaten, und ich vermisse ihn schmerzlich. Ich war oft fort, und im Nachhinein bedauere ich, dass ich ihm gegenüber nicht mehr Dankbarkeit zeigte.“
„Es traf mich sehr, von Antonios Tod zu hören. Wir begegneten uns nur zweimal, das war, als er England besuchte, aber wir fühlten uns einander verbunden.“ Charles zögerte, bevor er fortfuhr. „Mir war damals nicht bewusst, dass er einen Sohn hatte.“
„Ich wurde vor einigen Jahren adoptiert“, erklärte Lorenzo und offenbarte damit mehr als üblich. „Mein Vater war ein guter und großzügiger Mann. Ich verdanke ihm viel. Er war nicht wohlhabend, und so sah ich es als meine Aufgabe an, unser Los zu verbessern. Ich bin froh, dass ich es ihm ermöglichen konnte, zum Schluss unbeschwert zu leben.“
„Er hatte Glück, Euch als Sohn zu haben. Ich kümmerte mich mit all meiner Kraft um mein Anwesen, immer in der Hoffnung, dass Richard es doch einmal übernehmen könnte. Aber es wäre mir eine große Erleichterung gewesen, ihn in meiner Nähe zu wissen. Ich fürchte, ich werde langsam alt, und die Tage erscheinen mir einsam.“ Sein Blick war von Trauer umwölkt, die Jahre der vergeblichen Suche hatten tiefe Spuren in sein Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher