Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
an Bord zu nehmen. Würde man sie jetzt einfach sterben lassen? Doch sicherlich nicht, oder?
Kathryn ging zur Tür ihrer Kabine, öffnete sie und trat auf das kleine Deck hinaus, das sich direkt über den Reihen der Ruderer befand. Zuerst dachte sie, dass Lorenzos Mannschaft die Ertrinkenden im Wasser ignorieren würde, denn die Männer johlten, als sie sahen, dass sie ihren Feind in die Flucht geschlagen hatten. Aber dann entdeckte sie, dass einige von ihnen an der Reling standen, um möglichst viele der Sklaven vor einem sicheren Tod zu bewahren.
„Ihr solltet unter Deck gehen, Mistress Rowlands“, ermahnte sie Michael, der auf sie zukam. „Es ziemt sich nicht, dass Ihr hier seid – und noch dazu in diesem Aufzug.“
Sie blickte an sich herunter und stellte fest, dass sie aussehen musste, als trüge sie ein Nachthemd. „Kann ich nicht den Verwundeten helfen?“
„Wir haben einen Schiffsarzt, der sich um sie kümmert“, erklärte er ihr. „Bitte geht nach unten.“
„Aber die Männer im Wasser …“
„Wir werden tun, was wir können. Bitte geht!“
Kathryn zog sich zurück. Sie war wütend und verstört. Sie hörte die Rufe der Männer auf Deck und das Geräusch der Ruder – sie hatten wieder Fahrt aufgenommen. Als sie erneut aus dem Bullauge schaute, entdeckte sie mehrere Körper, die immer noch im Meer trieben. Aber sie konnte nicht erkennen, ob darunter Lebende waren. Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, denn ihr war klar, dass jene, die zurückblieben, mit Sicherheit sterben würden.
Wie konnte Lorenzo diese Männer nur im Stich lassen? Sie hatte geglaubt, er hätte mehr Mitgefühl. Doch es war naiv von ihr gewesen zu glauben, er hätte eine weichere Seite. Auf dem Berghang hatte sie für einen Moment einen anderen Mann kennengelernt, aber im Grunde war er rücksichtslos. Er war ein harter, kalter Mann, der nur jene rettete, von denen er glaubte, sie würden ihm einen Gewinn einbringen.
Kathryn zitterte am ganzen Körper. Sie hatte gerade das Gefühl gehabt, sich in diesen Mann zu verlieben. Aber einen solchen Mann konnte man nicht lieben.
5. KAPITEL
Ihr müsst uns verzeihen“, bat Michael, als er ihr später einige Speisen und Wein brachte. „Wir wurden von zwei von Rachids Galeeren angegriffen, wie Ihr ohne Zweifel sehen konntet, und niemand hatte Zeit, ans Essen zu denken.“
„Diese Männer im Wasser …“, sagte Kathryn. Ihr war übel, und der Anblick von Brot und Braten widerte sie an. „Warum habt Ihr nicht gestoppt, um sie an Bord zu nehmen?“
„Wir konnten ein paar von ihnen retten, größtenteils Galeerensklaven“, erwiderte Michael. Ihr fiel auf, dass er sie nicht ansah, als er das Tablett mit der Mahlzeit auf dem Tisch abstellte. „Sorgt Euch nicht um die anderen. Die meisten waren bereits tot, und sie haben Euer Mitgefühl nicht verdient, Mistress.“
„Hat nicht jeder Mann Hilfe verdient?“, fragte sie, wobei sie kaum die Worte herausbrachte. „In Gottes Augen hat selbst ein Spatz seinen Wert.“
„Danke, Michael“, sagte Lorenzo barsch, der gerade die Kabine betrat. „Lass uns jetzt bitte alleine.“
Kathryn schaute nun Lorenzo anklagend an, der beiseite trat, damit sein Kapitän die Kajüte verlassen konnte. „Da waren so viele“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Sicherlich waren sie nicht alle tot?“
Lorenzos Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung, als er ihr antwortete. „Es waren Rachids Männer – rücksichtslose Piraten. Sie nehmen keine Gefangenen. Könnt Ihr Euch vorstellen, was passiert wäre, wenn sie den Sieg davongetragen hätten? Hebt Eure Tränen für jemanden auf, der sie verdient hat.“
„Aber sie wurden geschlagen …“ Ihre Worte erstarben ihr auf den Lippen, als sie erkannte, dass er wütend war. Er war arrogant und skrupellos. Er würde nicht auf sie hören. Sie war einfach nur ein einfältiges Mädchen, das ihm schon genug Ärger eingebracht hatte.
„Ist Euch noch nicht der Gedanke gekommen, dass vielleicht weitere Galeeren von Rachid auf uns gewartet haben könnten? Wenn wir zu viel Zeit bei dem Versuch verbracht hätten, Männer zu retten, von denen die meisten ohnehin bereits tot waren – oder die man wahrscheinlich später für ihre Verbrechen gehängt hätte –, wären wir möglicherweise erneut angegriffen worden. Ich glaube nicht, dass Lord Mountfitchet sich erfreut gezeigt hätte, wäre ihm zu Ohren gekommen, dass man Euch aus Don Pablos Gefangenschaft zwar befreit hat, aber nur, um den Korsaren
Weitere Kostenlose Bücher